Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Die Informationen könnten veraltet sein.
Ratgeber

Länger nutzen für die Umwelt: Das Refurbished-Handy ist besser als sein Ruf

Ein Artikel von , veröffentlicht am 28.09.2023
Dieses Telefon wäre heute über hundert Jahre alt. Reparierbarkeit sicher vorbildlich. Foto: The Library of Congress

Wer ein erneuertes Smartphone kauft, hilft der Umwelt und spart Geld. Die Risiken sind dabei kleiner, als viele denken.

Was heißt „refurbished“ überhaupt?

Das englische Wort „refurbished“ bedeutet in etwa „erneuert“ oder „ausgebessert“. Diese Geräte sind also gebraucht, sie werden aber getestet und repariert. Die technischen Funktionen entsprechen denen eines neuen Geräts.

Ein wenig muss man aber aufpassen, denn refurbished ist kein geschützter Begriff und kann deshalb unterschiedliches bedeuten. Die Anbieter der Geräte erklären nicht genau, was sie tun. Das ist schade, denn so könnte man das Vertrauen in die Produkte stärken.

Diese Angebote kommen von kommerziellen Anbietern. Anders als beim Privatverkauf habt ihr deshalb immer Rechte bei der Gewährleistung, wenn etwas nicht richtig funktioniert – siehe unten.

 

Kann ich refurbished-Produkten vertrauen?

Unabhängige Tests und Umfragen zeigen eine sehr hohe Qualität bei refurbished-Produkten. Die Stiftung Warentest hat im Februar 2023 die großen Anbieter getestet und alle bewegten sich im Bereich einer Schulnote gut oder befriedigend. Am besten schnitt Back Market mit 1,8 ab, gefolgt von eBay refurbished (2,1) und rebuy (2,2). Auch asgoodasnew und Refurbishedstore sind mit einer 2,3 nah an der Spitzengruppe.

Eine aktuelle Umfrage der Verbraucherzentrale zeigt auch eine sehr hohe Zufriedenheit unter denjenigen Kund*innen, die schon mal ein ausgebessertes Gerät gekauft haben: 91 Prozent beschrieben ihre Erfahrungen als gut oder sehr gut. Smartphones waren dabei die häufigsten Käufe. Allerdings hat weniger als jede*r Fünfte schon mal so ein Gerät gekauft.

Für diese Umfrage wurden im Juni 2023 per Telefon 1000 Menschen kontaktiert. 188 hatten schon mal auf dem Zweitmarkt gekauft. Die Befragung ist repräsentativ, das heißt, dass beispielsweise nicht einseitig nur Männer oder Stadtbewohnende befragt wurden.

 

Wer sind die großen Refurbishing-Anbieter?

Es gibt Plattformen, die – ein wenig wie etwa Amazon Marketplace – mit externen Händlern zusammenarbeiten. Die Geräte werden von den Händlern repariert und gehandelt, nicht von der Plattform selbst. Die lebt von Gebühren. Zu diesem Typ gehören zum Beispiel Back Market, eBay refurbished und refurbed.

Außerdem gibt es Anbieter mit eigenen Werkstätten, die das Reparieren selbst übernehmen. Ein Beispiel dafür ist asgoodasnew. Diese Anbieter sind alle kommerzielle Unternehmen mit Gewinnabsicht.

Der Anbieter AfB repariert selbst und bietet Menschen mit Behinderung einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Er wurde allerdings nicht von der Stiftung Warentest untersucht.

 

Welche Regeln gelten für die Überprüfung?

Es gibt keine klaren, detaillierten Infos darüber, wie die Anbieter von gebrauchten Smartphones diese genau testen. Sie ziehen sich hier auf etwas schwammige Formulierungen wie „höchste Qualität“ oder „überdurchschnittliche technische Kompetenz“ der Mitarbeitenden zurück. Da wäre mehr Transparenz toll.

Immerhin wissen wir, dass Back Market mit Testkäufen darauf achtet, dass die Standards eingehalten werden. Zur Kontrolle müssen die Werkstätten/Händler einen Testbericht vorlegen können.

Basierend auf den verfügbaren Infos kann man sich den Refurbish-Prozess ungefähr so vorstellen:

  1. Äußere Reinigung: Schmutz, Staub und Fettflecken werden entfernt.
  2. Optische Begutachtung: Mitarbeitende schauen sich das Gerät von außen an. Wenn von nahem keine Kratzer zu sehen sind, wird das Gerät als perfekt oder ähnlich eingestuft. Wenn man beispielsweise Kratzer aus 30 Zentimeter oder von weiter weg sehen kann, wird es als sehr gut oder gut verkauft und so weiter.
  3. Technische Tests: Es gibt Software, mit der man sehen kann, wie gut die Teile des Handys noch funktionieren. Wir haben euch hier aufgeschrieben, wie so etwas funktioniert. Anhand dieser Daten können die Werkstätten sehen, ob etwas getauscht werden muss.
  4. Reparatur: Kaputte Teile werden durch neue oder solche aus anderen gebrauchten Smartphones ersetzt. So kann auch ein unreparierbares Gerät per „Organspende“ noch anderen Handys ein längeres Leben ermöglichen.
  5. Alte Daten löschen, neue Software drauf: Die Geräte werden auf den Zustand zurückgesetzt, in dem sie ausgeliefert wurden. Anschließend spielen die Refurbisher die aktuelle Version des Betriebssystems auf das Handy. Aber Vorsicht: Viele ältere Android-Geräte bekommen keine Updates mehr. Besonders bei Androiden, die älter als 5 Jahre sind, sieht es mies aus. Bei iPhones werden Geräte ab dem Modell 6 und älter nicht mehr versorgt.

 

Nehmen die Refurber alte Handys ins Sortiment – auch ohne Updates?

Ja, es gibt zum Beispiel bei asgoodasnew und Back Market noch das Samsung Galaxy S4 zu kaufen. Dieses Gerät bekommt von Samsung keine Android-Updates mehr und keine Sicherheits-Patches. Es ist deshalb nicht sicher zu nutzen, wenn es um sensible Daten geht. Zumindest nicht mit dem vorinstallierten System. Besser kann es mit einem alternativen OS wie Lineage aussehen.

Werden gute Teile in die Handys eingebaut?

Die Werkstätten nutzen für das Erneuern der Handys Teile aus verschiedenen Quellen: Ersatzteile können vom Hersteller des Telefons kommen, also zum Beispiel von Samsung. Es gibt aber auch Dritt-Firmen, die Akkus und Displays herstellen, die für bestimmte Modelle passen. Dort kann man Ersatzteile bekommen, die der Hersteller vielleicht gar nicht mehr hat oder nur sehr teuer verkauft. Oft heißt es, dass nur Original-Teile gut sind. Das stimmt aber nicht. Auch alternative Anbieter können hohe Qualität liefern. Man kann natürlich auch schlechte Displays oder Akkus erwischen. Das sollte aber die Ausnahme sein – darauf deuten die guten Bewertungen in Umfragen oder der Stiftung Warentest hin. BackMarket zum Beispiel testet verschiedene Teile von Drittanbietern und empfiehlt sie dann den Werkstätten.

Als zusätzliche Absicherung: Wir empfehlen direkt nach dem Kauf einen Test mit Diagnose-Tools – mehr dazu lest ihr unter diesem Link. Wenn ihr merkt, dass etwas nicht gut funktioniert, könnt ihr vierzehn Tage lang ohne Begründung vom Kauf zurücktreten. Das ist das gesetzliche Recht auf Widerruf von Onlinekäufen. Einige Refurbished-Portale bieten ein noch längeres Rückgaberecht. Bei asgoodasnew und Back Market sind es 30 Tage.

 

Welche Rechte habe ich bei Refurbished-Geräten?

1) Gewährleistung

Anders als bei der Definition von „refurbished“ gibt es für die Gewährleistung ganz klare Regeln.

Die Gewährleistung ist ein gesetzliches Recht, anders als die freiwillige Garantie. Sie gilt ein Jahr lang für Gebrauchtwaren von Händlern. Im Kern ist es das Versprechen, dass die Geräte bei Auslieferung einwandfrei waren.

Beim Privatverkauf kann Gewährleistung ausgeschlossen werden, bei Neuware gilt sie sogar zwei Jahre. Bis 2021 musste man nach sechs Monaten selbst beweisen, dass der Mangel nicht die eigene Schuld der Käufer*innen ist. Aber heute gilt das mit der Beweislast erst nach einem Jahr und ist bei erneuerten Geräten also kein Problem.

 

2) Garantie

Einige der Anbieter decken freiwillig Reparaturen ab, die nach Ablauf der Gewährleistung anfallen. Das ist die Garantie. Asgoodasnew bietet zweieinhalb Jahre, rebuy drei Jahre Garantie. Bei einigen Refurbished-Anbietern umfassen Garantie und Gewährleistung beide 1 Jahr. Unter Garantie ist aber meistens mehr abgedeckt.

Aber Vorsicht: Natürlich ist nicht jeder Fall abgedeckt. Hier solltet ihr euch die Bedingungen jeweils bei den Händlern noch mal durchlesen.

 

Woher kommen die Geräte?

Die Handys kommen aus verschiedenen Quellen. Manche Refurbished-Anbieter haben eigene Ankaufprogramme – Privatpersonen können dort ihre alten Handys verkaufen. Auch große Unternehmen sind beliebte Lieferanten von Gebrauchtware, zahlenmäßig sogar wichtiger als die Privatgeräte. Erstens können das Diensthandys sein, die schon nach wenigen Jahren ausgetauscht werden. Weil die Geräte eher neu sind, kann man sie gut weiterverkaufen. Zweitens tauschen die Netzbetreiber bei manchen Verträgen nach zwei Jahren das Handy und haben dann gute Ware für die Refurbisher.

Alle Annahmestellen von Althandys – das sind Elektronikfachgeschäfte, aber auch größere Supermärkte und Wertstoffhöfe – geben die gesammelten Geräte an Verwertungsbetriebe. Auch die schauen, ob da noch etwas für die Refurbisher dabei ist. Ein geringer Teil dieser „entsorgten“ Geräte, weniger als zehn Prozent etwa, ist nämlich noch für den Zweitmarkt interessant.

 

Tauschen Refurber generell den Akku?

Nein. Die Anbieter erfordern eine Akkukapazität von meist 80 oder 85 Prozent. Eine Ausnahme ist hier AfB mit einem Minimum von 60 Prozent, wobei das Unternehmen uns mitteilt, dass die Kapazität meist höher liege.

Getestet wird die Kapazität mit einer Diagnosesoftware. Die kann auch erkennen, wie oft das Handy schon geladen wurde.

Der Akku wird mit der Zeit immer schwächer. Wenn ihr noch 80 Prozent Kapazität habt, solltet ihr damit immerhin noch eine ganze Zeit klarkommen. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass ein Akku pro Jahr um die zehn Prozent Kapazität verliert. Wie lange er dann durchhält, hängt auch davon ab, wie stark der Akku am Anfang war. Wenn es irgendwann nicht mehr genug Saft für eure Bedürfnisse gibt, ist ein Akkutausch besser für die Umwelt, als das Gerät ganz zu ersetzen.

 

Machen die Refurber das Handy zum Prüfen immer auf?

Nein, nur wenn nötig. Dann werden die Geräte beim Aufbereiten oder Testen geöffnet. Das heißt auch, dass sie nicht mehr genauso wasserdicht sind wie ursprünglich bei vielen Neugeräten. Allerdings nimmt die Wasserdichtigkeit sowieso im Laufe der Zeit ab und ist kein stabiler Wert. Selbst neue Geräte haben darauf keine Garantie – der angegebene Wert zur Wasserdichtigkeit gilt immer nur für den Zeitpunkt, an dem das Gerät die Fabrik verlässt.

 

Danke für deinen Besuch. Bevor du uns verlässt…

Folg und doch auf Mastodon oder auf Instagram! Jede Woche Updates zu Smartphones und Umwelt aus der mobilsicher-Redaktion.

Kennst du schon unseren Newsletter? Einmal im Monat schicken wir dir aktuelle mobilsicher-Lesetipps direkt ins Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.

Der Autor

E-Mail

j.bickelmann@mobilsicher.de

PGP-Key

0x760E5AA0005C81E7

PGP Public Key

Download als .asc

Fingerprint

5F8233584407AA0A8D905A6F760E5AA0005C81E7

Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

Weitere Artikel

Ratgeber 

Kinder-App Tocomail kurz vorgestellt

Tocomail ist eine kostenpflichtige E-Mail-App mit zugehörigem E-Mail-Dienst speziell für Kinder. Die Entwickler*innen werben mit besonderen Kontrollfunktionen und einer kinderfreundlichen Oberfläche. Hält die App, was sie verspricht? Und wie steht es mit dem Datenschutz?

Mehr
Ratgeber 

Apps gecheckt: Diese Selfie-Apps sammeln deine Gesichtsdaten (Android)

Bild hochladen, Katzenohren dran, fertig: Fotofilter für Selfies gibt es schon lange. Doch was passiert, wenn Software-Firmen ihr Geschäftsmodell ganz auf die Gesichter von Nutzer*innen ausrichten? Sechs beliebte Apps im Test.

Mehr
Ratgeber 

Cleaner-Apps: Was bringen die „Systemoptimierer“?

Android-Cleaner wollen das Smartphone schneller, vielleicht sogar sicherer machen. Die Wahrheit ist: Sie nützen so gut wie nichts. Warum Systemoptimierer in den meisten Fällen überflüssig sind, lesen Sie hier.

Mehr
Ratgeber 

Corona-Kontaktverfolgung: Die Schnittstelle von Apple und Google

Auch nach ihrem Erscheinen sorgt sie weiterhin für Kontroversen: Die Schnittstelle von Google und Apple, auf die Apps zum Nachverfolgen von Kontakten zugreifen können. Wir erklären, wie sie arbeitet, welche Einstellmöglichkeiten es gibt und wie es um den Datenschutz steht.

Mehr