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Hintergrund

Mieten statt kaufen: Genossenschaftlich Handys länger nutzen

Ein Artikel von Jonas Bickelmann, veröffentlicht am 19.02.2024
Foto: John Margolies, Library of Congress

Privateigentum ist nur eine Möglichkeit, wie man Handys unter die Menschen bringen kann. Und nicht unbedingt die beste.

Mehr als fünf Milliarden Smartphones sind Branchendaten zufolge 2022 zu Schrott geworden. Zwar passiert das mit jedem Elektrogerät irgendwann. Bei Handys aber viel zu früh. Die meisten Menschen kaufen sich dann wieder ein neues Gerät. Und das ist übel fürs Klima. Denn in der Herstellung richtet das Handy mit Abstand den meisten Schaden an.

Wie das sein kann? Technische Gründe sind es nicht. Denn an sich wäre es keine große Sache, Handys zehn Jahre oder länger zu betreiben. Das einzige Teil, das von allein immer schlechter wird, ist der Akku. Von Verschleiß kann bei Handys sonst kaum die Rede sein.

Deshalb muss man davon ausgehen, dass der Markt auf eine Art funktioniert, die es für die Firmen attraktiv macht, „Ex-und-Hopp“-Handys zu bauen. Okay, ein bisschen übertrieben ist der Ausdruck. Immerhin kosten auch günstige Handys weit über hundert Euro. Aber wie bei Verpackungen sollten wir auch hier mal über andere Anreize nachdenken.

 

Ist Mieten besser?

Wer sich bei der Straßburger Genossenschaft Commown ein Handy anschafft, wird nie Eigentümer*in dieses Geräts sein. Jeden Monat fällt stattdessen Miete an. Von Jahr zu Jahr verringert die sich. Wenn etwas kaputt geht, kümmert sich Commown oder schickt die Ersatzteile nach Hause. Die Handys kommen nur von Herstellern mit extra guter Reparierbarkeit. Also von Shift, von Fairphone und Teracube. Weil diese Geräte modular aufgebaut sind, ist es nicht nur leicht, den Akku zu tauschen; auch andere Teile kann man schnell ersetzen. Bei den komplett verklebten iPhones oder Samsung-Geräten geht das nur mit viel Ausrüstung. Bei Commown wird man diese bekannten Namen deshalb nicht finden.

Wir erwähnen hier Commown so prominent, weil konkurrierende Anbieter für Elektro-Miete wie Grover oder miete24.com sich durch ihre gewinnorientierten Geschäftsmodelle deutlich unterscheiden. Andere Genossenschaften für Elektromiete, die sich auf reparierbare Geräte spezialisiert haben, sind uns nicht bekannt.

Die Frage ist natürlich: Was soll das Mietmodell daran ändern, ob das Handy umweltfreundlich ist? Ob man ein Shift mietet oder kauft, ändert ja nichts daran, dass es eins der nachhaltigsten Geräte auf dem Markt ist.

Die Unterschiede liegen in den Anreizen:

  • Weil die Geräte der Genossenschaft gehören, ist sie dafür verantwortlich, sie lange am Leben zu erhalten. Wenn man es mit Kleidung vergleicht: Ein teures Kleid für einen Ball ist vielleicht als Kaufobjekt zu teuer und es käme in Frage zu Fast Fashion zu greifen. Beim Mieten lohnt es sich für die Vermietenden auf etwas Langlebiges zu setzen.
  • Die Genossenschaft fördert langlebige Software. Sie hilft, wenn man ein alternatives Betriebssystem installieren möchte. Das ist gerade bei günstigeren Geräten oft länger mit Updates versorgt als das vorinstallierte System.
  • Dass man jeden Monat Miete zahlt, ist wie eine Versicherung für Schadensfälle. Beim gekauften Gerät wird jede Reparatur zum neuen Kostenpunkt. Beim Mieten inklusive Reparaturzusage hat man diese Fälle schon vorfinanziert und muss sich nicht fragen, ob sich ein neues Handy eher auszahlt.
  • Weil die Genossenschaft das Reparieren so fördert und weniger Modelle anbietet, hat sie auch mehr Ersatzteile für die speziellen Handys vorrätig. Gerade bei älteren Handys kann die Suche nach Ersatzteilen für kleinere Werkstätten nämlich die Reparatur kompliziert machen.
  • Ein Rundum-Sorglos-Paket könnte dazu führen, dass man nicht gut auf das Handy achtgibt. Nach dem Motto: Wird ja sowieso repariert. Commown macht die Preisreduktion deshalb zu einem Teil davon abhängig, dass die Geräte nicht beschädigt werden.

 

Exkurs in die Geschichte: Die Allmende als Gemeingut

Privateigentum ist in der Geschichte nicht der Standard. Hier wird es schnell sehr politisch. Aber uns geht es vor allem darum zu sagen: Verschiedene Eigentumsmodelle haben verschiedene Vorteile und Nachteile.

Die „Allmende“ ist ein Beispiel dafür. So hat man es genannt, wenn sich Menschen im Mittelalter Ressourcen geteilt haben – etwa Ackerland, Weiden oder Wälder. Am Anfang war noch so viel Wald da, dass es keine besondere Regel gebraucht hat. Aber später haben verschiedene Dörfer zum Beispiel vorgeschrieben, wer wie viele Bäume fällen darf, um zu heizen.

Nachhaltigkeit war dabei in die Idee einprogrammiert. Die Wirtschaft beruhte damals nicht auf Wachstum, sondern auf Subsistenz. Das heißt, dass alle so viel bekommen sollten, wie sie brauchen. Eine Vorschrift aus dieser historischen Untersuchung der Grafschaft Kyburg von 1536 sagte beispielsweise, dass Holz nur zu „noturft“ gebraucht werden durfte, „damit unsere kind und nachkernen och mogint geniessen“.

Das klingt ökologisch. Wie das Gegenteil unserer wachstumsbesessenen Wirtschaftsordnung. Es ist aber keine Märchenwelt. Oder jedenfalls keine mit ewigem Sonnenschein. Denn erstens beruhte all das auf der Idee, dass Menschen ungleich sind. Was jemand brauchte war also für einen Adligen viel mehr als für einen einfachen Menschen.

Und zweitens konnte es durchaus passieren, dass zu viele Ressourcen für das Ökosystem verbraucht wurden. Die moderne Forst- oder Landwirtschaft mit ihren wissenschaftlichen Methoden ist viel besser im Vorhersagen und im Verhindern von Katastrophen.

Bei Elektrogeräten ist vielleicht jetzt so ein Punkt gekommen, an dem man sich nach Modellen umschauen kann, die besser funktionieren, als das Bekannte.

 

Was die Wissenschaft über Miet-Kleidung sagt

Ideen für eine zirkuläre Wirtschaft sind von der Forschung eher in Bezug auf Kleidung als auf Handys untersucht worden.

Die Ergebnisse sind ziemlich ernüchternd. Ein Bericht der Ellen McArthur Foundation, die sich der Kreislaufwirtschaft widmet, kam 2021 zu dem Schluss, dass Vermietmodelle für Kleidung ihr Versprechen schwer einhalten können. Denn ohne Systemveränderung sind die eher so etwas wie Feigenblätter für die Problemverursacher: Fast-Fashion-Unternehmen, die immer mehr Kleidung auf den Markt werfen. Billig produziert und nicht haltbar.

Eine finnische Studie von 2021 kam zu dem Schluss, dass Mietmodelle bei Kleidung sogar schlechter als der Neukauf sind. Das kam daher, dass durch das Hin- und Herschicken der Kleidung an die nächsten Nutzer*innen zu viele Emissionen verursacht wurden. Natürlich hängt die Bilanz hier davon ab, wie oft das Kleidungsstück von einem Haushalt in den nächsten kommt. Dass ein Mietmodell mit Versand über weite Distanzen dann zur Umweltsau wird, wenn jeden Monat eine neue Garderobe angemietet wird, ist keine Überraschung.

Felix Piontek hat an der Uni Ulm zu Mietmodellen von Kleidung promoviert. Er warnt vor dem sogenannte Rebound-Effekt. Der sähe dann so aus, dass Mietende sich sagen: „Ich leihe jetzt Kleidung, da kann ich mir was gönnen.“ Eine Person kompensiert ihr nachhaltiges Verhalten also entweder direkt im selben Bereich „indem sie neue Kleidung kauft und so keine Neukäufe ersetzt oder indirekt indem sie andere umweltschädliche Verhaltensweisen damit rechtfertigt, dass er/sie ja leiht.“

Wer beim Mieten von Handy das gute Gewissen mitnimmt und dann jedes Jahr ein neues iPad kauft, ist auch auf so einen Rebound-Effekt hereingefallen.

 

Hemd und Hose sind nicht gleich Handy

Handys und ihre Nutzung sind ganz anders beschaffen als Kleidung. Der Fall, dass man sie nur einmalig nutzt, etwa bei einem eleganten Anlass, kommt kaum vor. Die klimaschädlichen Auswirkungen von sehr häufigem Hin- und Herschicken sind deshalb nicht das Problem.

Wo ein altes Kleid vielleicht als Vintage-Stück überzeugt, gelten die neuesten Handys oft als die begehrenswertesten. Es sollte aber immer darum gehen, dass ein Neukauf verhindert wird, wenn er nicht nötig ist. Mietmodelle für Handys ermöglichen eine langfristig angelegte Beziehung zu diesem Gerät.

Die 5100 Geräte, die Commown derzeit vermietet hat, sind vielleicht wenige, wenn man sie mit den Zahlen der Marktriesen vergleicht. Aber hier wird ja auch nicht darauf optimiert, möglichst schnell zu wachsen und Verkaufsrekorde zu erzielen. Weniger ist mehr.

 

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