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Hintergrund

Der DB ist es egal, dass Menschen ihre App nur mit Google oder Apple nutzen können

Ein Artikel von Jonas Bickelmann, veröffentlicht am 26.07.2023
Grafik: VladSt

Der DB Navigator ist eine beliebte und praktische App. Aber wer unabhängig von Big Tech bleiben will, hat Pech gehabt.

Google und Apple haben Macht über unseren Alltag. Denn sie liefern und kontrollieren die Infrastruktur, die fast alle unsere Smartphones benötigen.

Um zum Beispiel die App-Stores der großen Tech-Firmen nutzen zu können, müssen Nutzer*innen den Bedingungen der Unternehmen zustimmen. So eine Zustimmung muss freiwillig und informiert sein. Eigentlich sollte man also wirklich eine Wahl haben und verstehen, um was es geht.

Damit das so ist, braucht es eine Alternative. Die gibt es hier aber nicht. Politiker*innen beschweren sich gerne mal über die Macht von Big Tech. Aber die Deutsche Bahn, ein Unternehmen, das dem deutschen Staat gehört, treibt die Menschen direkt in die Arme der Tech-Konzerne.

Denn die wichtigste App des Unternehmens, der DB Navigator, ist nur über die Stores von Apple und Google erhältlich.

Zwang zu Google und Apple. Nicht mit uns!

Wer seine App ausschließlich über Apples oder Googles Stores anbietet, stellt Nutzer*innen vor die Wahl: Entweder, sie stimmen der weitreichenden Datenerhebung durch US-Konzerne zu oder sie verzichten ganz auf die App.

Bei Apps von kommerziellen Anbietern ist das schon ärgerlich. Bei Apps, deren Betrieb mit Steuergeldern bezahlt wird oder die zur öffentlichen Daseinsfürsorge zählen, ist es eigentlich inakzeptabel. Denn damit überlässt man es internationalen Konzernen, die Bedingungen für den Zugang zu öffentlichen digitalen Gütern für alle Nutzer*innen zu bestimmen.

Dabei gäbe es die Alternativen. Ohne riesigen Aufwand kann die Bahn die App auch einfach als Installationsdatei auf ihrer Webseite anbieten.

Oder sie könnte Alternativen ohne Google oder Apple unterstützen: Der freie App-Store F-Droid hat beispielsweise Wikipedia, den Kartendienst Osmand oder eine App von Foodsharing im Angebot. Wäre das nicht auch ein schöner Anspruch, den sich ein Unternehmen in Staatsbesitz auf die Fahnen schreiben könnte?

Allerdings darf nicht jede App in den F-Droid-Store. Erlaubt sind nur Open-Source-Apps, bei denen jeder den Programmcode sehen und verwenden kann. Doch die meisten Apps von Organisationen des öffentlichen Sektors sind nicht Open Source.

Klar, Google und Apple sind auch der einzige Weg, um etwa Spotify, Tinder oder viele Banking-Apps aufs Handy zu bekommen. Der Unterschied ist nur: Die Bahn gehört dem Staat, Spotify nicht. So ein wichtiges öffentliches Angebot sollte so funktionieren, dass alle unkompliziert auf die Infos zugreifen können – ohne dass man gezwungen ist, alle möglichen Daten den Tech-Konzernen preiszugeben.

CovPass könnte Vorbild sein

Ein Positivbeispiel: die CovPass-App gibt es auch ohne Google oder Apple. Wieso nicht den Navigator? Wir haben die DB um ihren Standpunkt gebeten. Eine Sprecherin antwortet mit zwei knappen Sätzen:

„Bei der Entwicklung unserer App sind die Nutzerzahlen eine wichtige Kenngröße, so dass der DB Navigator – wie auch die meisten anderen Apps am Markt – für die Betriebssysteme iOS und Android verfügbar ist. Darüber hinaus steht allen Kund:innen unser Informationsangebot sowie die Buchung von Tickets über unsere Website www.bahn.de zur Verfügung.“

Tl;dr: Kein Bock auf Apple oder Google? Kein DB Navigator!

Auf unsere Frage, ob und wann es einen Weg für diese Menschen geben wird, gibt die Sprecherin keine Antwort.

Was fordern die Betroffenen?

Leser*innen haben sich an uns gewandt, weil sie von der Bahn enttäuscht sind. „Ich finde es fatal, dass staatliche Unternehmen (DB) die Menschen nahezu zwingen Google oder Apple die persönlichen Daten kostenlos zur Verfügung zu stellen“, schreibt einer von ihnen, nennen wir ihn der Anonymität halber mal Richard (der echte Name ist uns bekannt).

Wenn Richard einfach die Webseite bahn.de nutzt, was auch unter freien Betriebssystemen möglich ist, dauert vieles länger und ist weniger übersichtlich. Beispielsweise musss er diese Nachteile aushalten:

  • Es gibt keinen „Comfort-Check-in“.
  • Bei Verspätungen ist der Antrag auf Erstattung viel komplizierter.
  • Man kann sich nicht so einfach Alternativverbindungen anzeigen lassen.
  • Bonus-Angebote wie etwa der Zugang zur DB Lounge und Freigetränke sind komplizierter oder nicht nutzbar (hierfür bietet die Bahn eine weitere App namens BahnBonus)

Für Richard ein alltägliches Ärgernis. Neben der grundsätzlichen Kritik an der DB findet er: „Ich bin prinzipiell ein Freund von Open Source. Dies gewährt Teilhabe aller, Sicherheit und Datenschutz.“ Leider nicht mit dem DB Navigator. Allerdings geht es uns hier ja erstmal nicht um Open Source, also dass die DB den Code allen zugänglich macht. Das wäre super, aber erst der nächste Schritt. Erstmal wäre es schon was, wenn es die Apps wenigstens auf einem Weg gäbe, den man ohne Datensammelei nutzen kann.

Digitalcourage und Kuketz klagen gegen die DB

Weil der DB Navigator außerdem Daten der Nutzer*innen an Drittanbieter weitergibt, klagt der IT-Experte Mike Kuketz gerade gegen die DB. Nach eigenen Angaben der Bahn können bis zu zehn verschiedene Unternehmen Informationen von der DB bekommen.

In einem Test von 2022 zeigte Kuketz, dass die App dabei nicht nur anonyme Daten erhebt, sondern auch eindeutige Kennnummern wie die Werbe-ID und Angaben, die man in der App macht (zum Beispiel die Reiseroute). Diese wurden zum Beispiel an den US-Marketinganbieter Adobe übermittelt. Eine Opt-Out-Möglichkeit gibt es dafür nicht.

Was die Werbe-ID ist und warum sie nicht wirklich anonym ist, erklären wir im Beitrag: So funktioniert die Werbe-ID

Pikant: Die Bahn erklärt, dass diese Datenübertragungen technisch notwendig sind. Das heißt, die Bahn tut das auch, wenn man nur technisch notwendige Cookies erlaubt. Höchste Eisenbahn für ein Umdenken im staatseigenen Zugkonzern.

[Update 28.07.2023] In einer früheren Version haben wir die Bahn fälschlicherweise als steuerfinanziertes Unternehmen bezeichnet. Da die Bahn auch Einnahmen generiert, ist das so nicht richtig und wurde korrigiert. An der Klage gegen die DB sind neben Mike Kuketz auch der Verein Digitalcourage beteiligt, auch das wurde ergänzt.

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