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Hinter der Sammelbox: Wer verdient mit alten Handys Geld?

Ein Artikel von , veröffentlicht am 02.11.2023

Wenn ihr ein Smartphone abgebt, setzt sich eine komplizierte Verwertungskette in Gang. Wir erklären, wie sie funktioniert und wer was bezahlt.

Grob gesagt gibt es zwei Wege, die ein altes Handy einschlagen kann, nachdem ihr es in einer Sammelstelle abgegeben habt.

Entweder, es wird wiederverwendet, also noch mal als Second-Hand-Smartphone verkauft. Oder es wird recycelt. Das bedeutet, dass es in Einzelteile zerlegt wird und man dann versucht, wertvolle Materialien herauszuholen. Vor allem Gold, Silber und Kupfer. Diese Materialen können dann verkauft werden.

Auf beiden Wegen lässt sich durch den Verkauf – je nach Marktlage – Geld verdienen. Gleichzeitig entstehen auch Kosten, weil die Geräte vorher sortiert und gefährliche Bauteile entfernt werden müssen. Bei Handys ist das zum Beispiel der Akku. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Grundsätzlich gilt in Deutschland laut Gesetz: Die Hersteller müssen die Kosten für die Verwertung von alten Elektrogeräten übernehmen.

Wir erklären, wie das praktisch umgesetzt wird und wo dabei problematische finanzielle Anreize entstehen.

 

Schritt 1: Wer nimmt alte Handys an?

Es ist also so weit: Euer altes Handy hat lange Jahre seinen Dienst getan. Ihr habt keine Möglichkeit, es weiter zu verwenden, zu verkaufen oder zu verschenken.

Ihr könnt solche Handys entweder beim Wertstoffhof oder in größeren Geschäften abgeben. Elektromärkte mit einer Verkaufsfläche von 400 Quadratmetern oder mehr, sowie Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern, müssen Handys und andere kleine Elektrogeräte annehmen. Das gilt auch für zugehörige Ladegeräte und -kabel.

Diese Regeln gelten für die Abgabe im Supermarkt

  • Die Regelung gilt nur für kleine Elektrogeräte, mit weniger als 25 cm Kantenlänge.
  • Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern und mehr sind zur Annahme verpflichtet, wenn sie selbst Elektrogeräte verkaufen (immer oder mehrmals im Jahr). Zum Beispiel Rasierer oder elektrische Zahnbürsten.
  • Es spielt keine Rolle, ob ihr das Gerät dort gekauft habt.
  • Früher galt, dass nur beim Neukauf eines Gerätes ein altes abgegeben werden kann. Das gilt seit Juli 2022 nicht mehr. Ihr müsst also nichts in dem Markt kaufen, um ein altes Kleingerät abzugeben.
  • Ihr dürft nur drei Geräte derselben Art auf einmal abgeben.

Woher kommt das Geld? Wertstoffhöfe werden aus Beiträgen finanziert, die von den Bürger*innen der Kommune bezahlt werden. Deshalb dürfen auch nur sie dort ihren Müll abgeben. Die Auflage für größere Geschäfte, sich am Rücknahmesystem zu beteiligen, basiert auf dem Argument, dass diese Geschäfte ja auch am Verkauf solcher Geräte verdienen.

Wie ist die Interessenlage? Supermärkte und Elektronikgeschäfte haben durch das Aufstellen von Sammelboxen, das Lagern und Organisieren der Rücknahme zusätzliche Arbeit. Entsprechend gering ist das Interesse, die Rücknahmemöglichkeit gut umzusetzen und bekannt zu machen. Die Deutsche Umwelthilfe überprüfte 2022 stichprobenartig 34 Märkte und fand bei keinem einzigen ein gutes Informations- und Rücknahmekonzept, einige Märkte verweigerten die Annahme komplett. Die DHU klagte daraufhin erfolgreich gegen zwei Supermarktketten.

 

Schritt 2: Die Erstbehandlung

Im Elektro- und Elektronikgeräte-Gesetz ist genau vorgeschrieben, wie eingesammelte Altgeräte behandelt werden müssen. Es gibt Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, Elektrogeräte nach diesen Vorschriften zu verarbeiten und die dafür zertifiziert sind. Das sind die sogenannten Erstbehandlungsanlagen.

Die beiden wichtigsten Vorschriften bei Handys sind:

  • Funktionsprüfung: Zuerst muss geprüft werden, ob ein Gerät wiederverwertet werden kann. Zum Beispiel, wenn es noch funktioniert oder repariert werden könnte. Allerdings nur, wenn es „technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar“ ist. Die Erstbehandlungs-Betriebe haben also viel Spielraum bei der Entscheidung, ob und wie sorgfältig sie diese Prüfung umsetzen.
  • Akkus entfernen: Falls es mit normalen Werkzeugen geht, müssen die Akkus aus einem Gerät entfernt werden.

Wenn alles ordnungsgemäß abläuft, sollte euer nicht mehr funktionierendes Handy irgendwann in so einer Erstbehandlungsanlage landen, ganz egal, wo ihr es abgebt.

Wenn die Handys noch funktionieren, kann der Erstbehandler sie weiterverkaufen -zum Beispiel an Refurbisher. Wenn sie zu alt oder zu kaputt sind, wird der Akku entfernt und die Geräte werden zerlegt oder geschreddert.

Wer ist zuständig? Die Grundidee ist: Die Hersteller der Geräte müssen auch dafür zahlen, dass sie am Schluss richtig recycelt werden.

Wenn ihr euer Samsung-Handy im Wertstoffhof abgebt, ist Samsung theoretisch verpflichtet, es dort abzuholen, für die Erstbehandlung zu sorgen und auch dafür zu bezahlen.

Weil es ziemlich blöd wäre, wenn jeder einzelne Gerätehersteller jedes seiner Geräte in ganz Deutschland zusammensammeln müsste, wird das von einer zentralen Stelle organisiert.

Diese Stelle hat den Namen „Stiftung Elektro-Altgeräte-Register“ (ear). Kaum jemand kennt sie, dabei ist sie das organisatorische Kernstück des deutschen Elektroschrott-Systems.

In Deutschland müssen sich alle Hersteller oder Importeure von Elektrogeräten bei der Stiftung Elektro-Altgeräte-Register registrieren und jedes verkaufte Gerät dort melden.

Entsprechend dieser Mengen weist die Stiftung ear dann jedem Hersteller eine gewisse Menge Schrott zu, für deren Entsorgung er zuständig ist.

Je nachdem wie viele Geräte ein Hersteller wie beispielsweise Samsung oder Fairphone auf den Markt bringt, muss er dann anteilig auch wieder bei den Wertstoffhöfen oder im Handel abholen und entsorgen. Bei Samsung wären das also deutlich mehr als bei Fairphone.

Wer verteilt den Schrott? So funktioniert die Stiftung ear

Das Gesetz sagt, dass die Gerätehersteller sich auf eine „Gemeinsame Stelle“ einigen sollen, die das System mit den Altgeräten organisiert. Dafür haben die Unternehmen zusammen mit Verbänden wie Bitkom die Stiftung ear gegründet. Sie nimmt für das Umweltbundesamt Organisationsaufgaben wahr und wird von ihm kontrolliert.

Vereinfacht gesagt, funktioniert das System so:

  • Jeder Hersteller muss jedes Gerät, dass er in Umlauf bringt bei der ear melden.
  • Die Erstverwertungsbetriebe melden der ear, wie viel Elektroschrott bei ihnen ankommt.
  • Angenommen, ein Hersteller hat 20 Prozent aller Geräte einer Kategorie (Handys fallen wie Smartphones in die Kategorie 6) in Umlauf gebracht, dann muss er auch zwanzig Prozent der Container abholen, die mit Geräten dieser Kategorie voll geworden sind.
  • Die ear berechnet die Mengen und weist den Herstellern zu, wo sie wie viel Schrott abholen und entsorgen müssen.

Woher kommt das Geld? Wie die Hersteller den Schrott entsorgen, der ihnen von der EAR zugewiesen wird, bleibt ihnen überlassen – solange sie die gesetzlichen Vorschriften einhalten. In der Regel suchen sie sich einen Erstbehandler aus und beauftragen diesen mit der Entsorgung. Den Preis dafür handeln sie selber aus.

Wie ist die Interessenlage? Die Hersteller haben ein wirtschaftliches Interesse, den günstigsten Erstverwerter zu wählen und nicht den, der am sorgfältigsten arbeitet. Außerdem haben sie keinen Vorteil, wenn mehr Altgeräte gesammelt werden. Je mehr alte Geräte in Schubladen bleiben, im Ausland oder im Hausmüll landen, desto weniger müssen die Hersteller zahlen.

Die Erstbehandler haben ein Interesse daran, Geräte gebraucht verkaufen – aber nur wenn sie noch einen guten Preis erzielen und sich ein Gewinn erzielen lässt. Wenn also Geräte ohne viel Aufwand repariert oder zumindest der Akku getauscht werden kann und wenn es eine hohe Nachfrage nach gebrauchten Geräten gibt.

 

Schritt 3: Die Materialverwertung

Nach dem Zerlegen oder Schreddern beim Erstbehandler kommen die Verwerter ins Spiel. Das sind Betriebe, die Elektroschrott wie ganze Handys – ohne Akku – oder Teile von ihnen aufkaufen.

Solche Betriebe werden auch „Scheideanstalten“ genannt. Sie sind darauf spezialisiert, Metalle zu schmelzen und in reinere Form zu bringen. Das geht mit chemischen Verfahren wie dem Auflösen in Säure. Oder mit Temperatur: Weil etwa Silber bei 961,8 Grad Celsius schmilzt, aber Gold bei etwa 102 Grad mehr, kann man die Stoffe so gut trennen.

Woher kommt das Geld? Die gewonnen Stoffe, vor allem Edelmetall, bringen gutes Geld. Sie werden zum Beispiel als Barren weiterverkauft. Der Anbieter ESG zahlt deshalb im Ankauf für Leiterplatten pro Kilo um die 24 Euro. Für ältere Handys vor der Smartphone-Ära gibt es gut 13 Euro pro Kilo. Für Smartphones dagegen nur fünf Euro. Die Unterschiede hängen mit dem Gehalt der wertvollen Metalle zusammen. Pro Kilo sind in den Leiterplatten am meisten Gold oder Silber. Bei Smartphones ist der Gehalt am niedrigsten, weil zum Beispiel das große Display viel Gewicht ausmacht. Außerdem ist das Zerlegen oft etwas schwieriger als bei den „alten Knochen“.

Wie ist die Interessenlage? Verwerter könnten viel mehr Materialien aus dem Elektroschrott holen, zum Beispiel seltene Erden. Technisch ist das möglich – es lohnt sich aber nicht. Denn momentan ist es noch günstiger, diese Materialien neu aus der Erde zu fördern. Wenn die Preise für Rohstoffe weiter steigen, könnte sich das ändern.

 

Am System vorbei

Wir wissen, dass in Deutschland nur etwa die Hälfte der Elektrogeräte korrekt gesammelt werden. Das ist schon besser als in vielen anderen Ländern, aber immer noch viel zu wenig.

Wie kann das passieren, wenn doch alle Geräte registriert werden? Das Problem ist, dass viele Geräte gar nicht im Sammelsystem landen. Zum Beispiel, weil sie gegen die Regeln im Hausmüll entsorgt wurden. Auch Geräte, die als funktionierende Gebrauchtgeräte ins Ausland verkauft werden, werden nicht nach hiesigen Vorgaben recycelt, wenn sie irgendwann doch kaputt sind.

Wo sind die anderen Geräte?

  1. Obwohl es nicht erlaubt ist, können alte Handys oder Kühlschränke bei illegalen Händlern landen. Die holen dann nur das raus, was sich lohnt und entsorgen den Rest irgendwo. Eine Katastrophe für die Umwelt.
  2. Gerade bei kleinen Geräten wie Handys liegen viele ungenutzt in Schubladen herum. Geschätzt schlummern um die 300 Millionen Handys, Laptops und Notebooks gemütlich und nutzlos vor sich hin.
  3. Sofern die Geräte noch funktionieren, dürfen sie mit einem Funktionsnachweis ins Ausland verkauft werden. Das wird zwar erfasst, aber für das Recycling gelten dann andere Regeln. Immerhin werden die Geräte aber erstmal noch länger genutzt. Das ist gut.
  4. Illegaler Export: Kaputte Elektrogeräte dürfen das Land zwar nicht verlassen. Es passiert aber trotzdem.
  5. Elektrogeräte gehören weder in die gelbe- noch in die Restmülltonne. Trotzdem landen sogar Smartphones dort. Und werden auch später kaum aussortiert. Deswegen gibt es immer wieder Brände in den Recyclinganlagen – Ursache sind die hochentzündlichen Akkus.

Aktuell gibt es eine vorgeschriebene Sammelquote für Elektroschrott – aber nur für ganz Deutschland. Die liegt bei 65 Prozent und wird immer wieder krachend verfehlt.

Eine Forderung verschiedener Umweltschützer*innen ist daher, eine verbindliche Quote für einzelne Hersteller zu etablieren. Dann müssten die Hersteller aktiv dafür sorgen, dass mehr Geräte eingesammelt werden.

Außerdem würde ein Pfand auf jedes Gerät helfen. Den bietet zum Beispiel – ganz ohne staatliche Vorgabe – der hessische Smartphonehersteller Shift, aber nicht die großen Anbieter.

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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