Erinnert ihr euch noch an den Werbespruch „Schrei vor Glück! Oder schicks zurück“? Damit fing eine Zeit des wilden Bestellens und Zurückschickens an. Es war ja unkompliziert und gratis. Die wahren Kosten sahen Kund*innen nicht. So begann leider auch eine Zeit der sinnlosen Zerstörung von Neuware nach der Retoure. Wir wollten wissen: Gibt es das auch bei Handys?
Das ist die Faktenlage
Seriösen Schätzungen zufolge werden vier bis zehn Prozent der zurückgesandten Produkte des Versandhandels entsorgt. Das belegte Greenpeace in Deutschland 2019 und erneut 2021 mit Aufsehen erregenden Youtube-Bildern am Beispiel Amazon.
Ralf Kleber, damaliger CEO von Amazon Germany, gab in einem Interview mit dem Magazin stern selbst zu, dass gelegentlich Produkte vernichtet werden: „Am Ende einer Kette gibt es mit Sicherheit auch einen Teil, den wir aus unterschiedlichsten Gründen nicht weiter verwerten können. Aber diesen Teil willst du als Händler per se minimieren.“
Diese Relativierung ist nicht falsch, aber es kommt auf die Details an. Bei teureren Geräten, dazu zählen fast alle Handys, dürfte sich die Zerstörung kaum „lohnen“. Kürzlich testete Greenpeace noch mal mit 25 Geräten in der Schweiz per Peilsender, wo sie nach der Rücksendung hingelangten. Das Ergebnis: 6 von ihnen wurden zerstört. Allerdings waren das billigere Geräte mit einem Wert von weniger als 120 Franken.
Bei Kleidung und günstigen Elektrogeräten ist die Zerstörung wohl eine verbreitetere Praxis. Bei Handys oder dergleichen muss man von geringen Zahlen ausgehen.
Das sind die Gründe, warum Neuware in die Tonne wandert:
- Die Funktionsprüfung kostet mehr als man mit dem Verkauf verdienen kann.
- Dasselbe gilt für die Lagerung. Bei Amazon beispielsweise fallen dafür besonders nach längerer Zeit hohe Gebühren an.
- Es gibt zwar mittlerweile eine Regelung, um die Vernichtung zu vermindern. Aber keine Strafen bei Verstößen.
- Reduzierte B-Ware senkt das Preisniveau der Neuware.
Vielleicht habt ihr schon mal gehört, dass Kleidung mit Scheren zerschnitten wird, wenn sie nicht in der Saison verkauft wurde. Darüber berichtete der Spiegel 2010 am Beispiel von Walmart und H&M. Das ist ein Skandal. Er hat vor allem damit zu tun, dass Unternehmen den Profit über das Gemeinwohl stellen. Aber auch mit den Versuchen, solches Verhalten zu regulieren. Ein Verbot kann eventuell umgangen werden, indem man neue Produkte zerschneidet. Dann versuchen Unternehmen sich darauf zu berufen, dass die Ware kaputt war. Wer sie zerstört hat, ist kaum zu kontrollieren.
Frankreich: Beim Essen gibt es das Verbot schon
In Deutschland gibt es bis heute kein Verbot, unverkaufte Avocados oder Kekse in den Müll zu werfen. Frankreich hingegen verbietet Lebensmittelverschwendung seit 2016. Im Zeitraum von 2015 bis 2017 konnten allein die Tafeln so zwanzig Prozent mehr Lebensmittel vom Einzelhandel bekommen, schreibt die SZ. Essen, das jetzt auf den Tellern von Bedürftigen landet, statt Container zu füllen.
In Deutschland warten wir bis heute auf so ein Verbot. Diese Lücke füllen Freiwillige. Soweit es ihnen gesetzlich möglich ist. Sogenanntes Containern ist offiziell verboten. Die Organisation Foodsharing schließt deshalb Vereinbarungen mit Geschäften ab. Darunter viele kleinere Läden und Cafés, aber auch Bio-Supermärkte.
Und das sieht dann so aus: Ein Hinterhof in Berlin. Ein kleines Grüppchen Menschen ist um ein paar Pappkisten herum versammelt. Gefüllt sind sie mit Brötchen, Kuchen, Äpfeln, Mangold, Kekspackungen und anderen aussortierten Waren.
Die sogenannten Foodsaver*innen verteilen die Waren nach der Abholung fair untereinander. So viel Ware fällt allein in einem mittelgroßen Supermarkt an, dass es schon ein Team braucht, um sie sinnvoll verwerten zu können. Das Versprechen der Freiwilligen: Nichts soll in die Tonne wandern. Deshalb müssen braune Bananen und trocken werdendes Brot schnell verarbeitet werden. Zu Bananenbrot oder Semmelbrösel beispielsweise. Ansonsten freuen sich auch Obdachlosenunterkünfte über Spenden.
Sollte diese Devise nicht auch bei Kleidung gelten, und erst recht bei Elektrogeräten? Dabei hätten fast alle nur zu gewinnen: Bedürftige, Umwelt und Kund*innen.
Besonders ärgerlich: Zwar wollte die EU in ihrer neuen Ökodesign-Richtlinie ein Verbot der Zerstörung von Neuware aufnehmen, wie noch letztes Jahre berichtet wurde. Das ist in den Verhandlungen aber unter den Tisch gefallen. Die Richtlinie wird zwar kommen und Verbesserungen bringen. Aber kein Verbot der Zerstörung von Neuware.
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