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Hintergrund

Das Recycling-Smartphone ist möglich. Warum gibt es noch keins?

Ein Artikel von , veröffentlicht am 05.07.2023
Foto: Omar Prestwich

In unseren alten Geräten schlummert ein Schatz aus wertvollen Rohstoffen. Woran es liegt, dass wir immer noch zu wenig recyceln.

Weltweit kamen 2019 auf jeden Menschen 7,3 Kilo Elektroschrott. Und die Menge wächst massiv, laut UN (PDF S. 4) auf das Doppelte bis 2050: 110 Millionen Tonnen. Das ist ungefähr so viel wie 2000-mal die Titanic.

Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Handys so lange wie möglich nutzen. Und dass aus alten Geräten wieder neue werden.

Die Idealvorstellung: Ein Kreislauf, bei dem kein Müll entsteht und keine Rohstoffe unter üblen Bedingungen mehr aus dem Boden geholt werden müssen.

Wir wollen wissen: Wann gibt es das Smartphone, das komplett aus Recyclingmaterial hergestellt wurde? Und was muss dafür passieren?

Ist das komplett recycelte Handy realistisch?

Die kurze Antwort lautet: ziemlich realistisch. Zum Beispiel hat Apple-Chef Tim Cook auf der Messe VivaTech 2021 angekündigt, dass die eigenen Geräte eines Tages komplett aus recycelten Materialien hergestellt werden. Wann es soweit ist, sagt das Unternehmen nicht. Aber das Ziel deutet darauf hin, dass die Idee umsetzbar ist.

Die lange Antwort lautet: Das recycelte Handy ist möglich, aber das ist noch ein langer Weg. Schauen wir bei Apple mal genauer hin: Dem Unternehmen zufolge sind 2020 knapp 20 Prozent aller Materialien in ihren Produkten wiederverwertet. Das ist ein Fortschritt. Aber es ist nicht genug.

Samuel Waldeck entwickelt mit „Shift“ ein auf Nachhaltigkeit optimiertes Smartphone. Er sagt über das Recycling-Handy: „Einen konkreten Zeitrahmen zu geben, wäre total schwierig.“

Woran hapert es? Da gibt es zunächst mal eine grundlegende technische Grenze. Janine Korduan kümmert sich für die Umweltorganisation BUND um das Thema und sagt: „Mehr Recycling geht sicher, 100 Prozent aber nie.“ Denn bei jedem Recycling gibt es Materialverluste. Das weiß jede*r, die schon mal Schokolade geschmolzen hat, um sie in eine neue Form zu gießen.

Dass man 100 Prozent nicht aus den alten Handys bekommt, heißt allerdings nicht, dass man nicht 100 Prozent recyceltes Material benutzen kann. Aber gibt es dafür überhaupt genug Material? Dazu haben wir hier einen Überblick:

Sehr gute Recyclingquote: Apple will schon 2025 hundert Prozent folgender Stoffe aus Recycling nutzen: Kobalt für die Batterien, Seltene Erden für die Magneten, und Lötzinn sowie Gold für die elektrischen Schaltkreise. Dass superharte Material Wolfram ist in Gewichten fürs Vibrieren, hier schafft Apple aber nur bei der ziemlich kleinen Armbanduhr (Watch) 100 Prozent und nicht bei Handys. Zinn und Wolfram vollständig gebraucht zu beziehen, gelingt auch beim Fairphone.

Ganz ordentlich: Kupfer beispielsweise bezieht Fairphone immerhin zur Hälfte aus Recycling. Ähnlich sieht es beim Plastik aus.

Da muss noch mehr gehen: Recycelt wird auch Lithium aus den Batterien, aber bei weitem nicht alles. Der Anteil liegt für alle Handys wohl im einstelligen Bereich. Forschende vom KIT haben aber gezeigt: 70 Prozent könnten aus alten Batterien gewonnen werden.

Indium ist ein besonders knappes Material und wird für die Bildschirme gebraucht. Es kann Forschenden zufolge zu sehr großen Teilen recycelt werden. Aber weil die Mengen in Handys so klein sind, lohnt sich das Recycling noch nicht.

Warum wird nicht mehr recyceltes Material benutzt?

Für die niedrigen Quoten gibt es verschiedene Gründe, die miteinander zusammenhängen. Wir haben sie hier aufgelistet.

Der kapitalistische Grund: Mehr Recycling lohnt sich nicht, weil Materialien aus Minen oft billiger sind. Handyhersteller schauen zwar auch auf die Nachhaltigkeit, sie schauen aber besonders auf die günstigste Lösung. Und solange es billiger ist, die Materialien aus Minen zu kaufen, tun sie das. Es kommt aber nicht nur darauf an, was billiger ist, sondern auch, dass es die entsprechenden Mengen gibt.

Der technische Grund: Es gibt noch zu wenige Techniken, um die Stoffe aus den alten Geräten herauszubekommen. Das heißt nicht, dass es gar nicht geht. Wir – besonders Forschung und Industrie – müssen uns aber mehr anstrengen. Dazu gehört auch, ein paar Geheimnisse offenzulegen. Shift will zum Beispiel genaue Infos dazu liefern, welches Material wo im Handy drin ist. Damit könnten die Recycler das besser herausholen. Je genauer man das weiß, desto besser. Apple hat Roboter, die alte Handys für zielgenaues Recycling zerlegen können. Das ist beeindruckend. Aber es geht nur bei Apple-Geräten, die das Unternehmen genau kennt.

Der politische Grund: Damit die Industrie sich mehr anstrengt, helfen Vorschriften aus der Politik. Und die werden strenger. Beispiel: Ab 2026 müssen in Europa 35 Prozent des Lithiums aus Akkus recycelt werden, ab 2030 70 Prozent. 50 Prozent des Batteriegewichts muss schon jetzt recycelt werden, 2025 sollen es 65 Prozent sein.

Der idealistische Grund: Recycling ist besser als Wegwerfen, aber es ist ein ziemlich aufwändiger Prozess und verbraucht auch Energie. Vereinfacht gesagt müssen die Handys geschreddert und geschmolzen werden. Dann zieht man die einzelnen Rohstoffe aus dem Mix heraus. Recycling ist also toll, aber es sollte lieber später als früher passieren. Shift oder Fairphone setzen deshalb auf modulares Design. Das heißt, dass man die Teile des Handys leicht auseinanderbauen kann. Und dass man sie, wenn es geht, repariert oder in anderen Geräten neu einbaut. So ähnlich wie das auch bei größeren Computern normal ist. Festplatte kaputt? Dann baut man eine neue ein, statt alles wegzuschmeißen.

Wir sind auf dem richtigen Weg

Es passiert viel Gutes, aber man merkt auch, dass es noch mehr Ideen, Geld und Regeln für recycelte Smartphones geben muss. „Das Ziel ist, dass wir gar keine Primärrohstoffe aus Minen mehr verwenden“, sagt Samuel Waldeck. Janine Korduan vom BUND stimmt zu: „Am meisten Ressourcen und Energie werden für die Neuproduktion, also bei Extraktion neuer Ressourcen verbraucht.“ Erst seit Kurzem versuchen immer mehr Menschen überhaupt konkrete Lösungen zu finden.

Was ihr jetzt schon tun könnt: Euer aktuelles Gerät länger nutzen, reparieren oder auf Second Hand setzen. Dafür braucht es keine Rohstoffe aus Minen und ihr schlagt dem Kapitalismus ein Schnippchen.

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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