Kommentar

Super organisiert und trotzdem nicht super: Das deutsche E-Schrott-System

Ein Artikel von , veröffentlicht am 11.01.2024
Foto: State Library of New South Wales

Es gibt in Deutschland genaue Vorgaben dafür, wie Elektroschrott erfasst wird. Mit ein paar Stellschrauben könnte man das System noch deutlich verbessern.

Die Menge an E-Schrott wächst. Korrekt entsorgt wird hierzulande aber nur etwa die Hälfte des anfallenden Schrotts, das zeigen die Daten des Global E-Waste-Monitors der UN. Der Grund dafür ist ein System, das zwar durchdacht ist, aber trotzdem Lücken hat.

 

Wie die deutsche E-Schrott-Entsorgung organisiert ist

Wir haben uns das deutsche Elektro-Altgeräte-System genauer angesehen. Es ist ausgefuchst und kompliziert. Damit es nicht dröge wird, erklären wir es hier anhand eines Bildes:

Stellt euch den deutschen Elektro- und Handymarkt als einen Hundespielplatz vor. Alle Hundehalter*innen - die Handyhersteller - sind dafür zuständig, dass die Hunde – also die Handys - wieder abgeholt werden. Manche Hunde bleiben länger auf dem Spielplatz, andere nur kurz. Die Hunde werden gezählt, wenn sie auf den Spielplatz kommen. Dafür gibt es einen Platzwart, den die Hundehalter*innen gemeinsam bezahlen. Er zählt auch die Hunde, die von den Halter*innen wieder abgeholt werden. Was dazwischen passiert, wird nicht kontrolliert. Die Hunde können machen, was sie wollen.

Der Knackpunkt: Beim Abholen am Ende muss so ein*e Halter*in nicht jeden ihrer Hunde einsammeln. Angenommen, Ariane hat zehn von hundert Hunden auf den Platz gebracht und Bert fünf. Am Ende des Tages verlassen aber nur achtzig Hunde den Platz. Die anderen sind vielleicht noch nicht müde – wie auch einige Handys eben länger bei den Nutzenden bleiben. Jedenfalls muss sich Ariane anteilig um acht kümmern und Bert um vier.

Man könnte theoretisch auch alle Hunde einfangen, das ist aber nicht vorgesehen. Wenn die Hunde länger bleiben, ist das okay. Im Fall von Handys ist es ja auch grundsätzlich super, wenn sie lange genutzt werden. Nur sollen sie eben eines Tages doch richtig recycelt werden. Und hier hapert es.

 

Was gut ist

Dass in Deutschland genau erfasst wird, wie viele Handys (und andere Elektrogeräte) auf den Markt kommen und wie viele ihn wieder verlassen, ist erstmal eine beeindruckende Leistung.

Für die Entsorgung sind die Hersteller selbst zuständig, das ist als Idee gut. Die Herstellerverantwortung soll dazu führen, dass die sich Gedanken machen, wie die Handys richtig entsorgt werden können und eventuell gar, dass sie länger halten. Aber das klappt nicht so gut, wie es erstmal klingt.

Für die Verbraucher*innen entstehen bei der Entsorgung keine Kosten, denn dafür sind die Hersteller zuständig. Sie müssen die Rechnung bezahlen, die für das Zerlegen und Recyclen ihrer Produkte anfällt.

Schön und gut! Wo aber hakt es?

 

Was besser werden muss: Ungünstige Anreize

Die Hersteller möchten die Kosten für das Recycling natürlich möglichst niedrig halten. Denn letztlich müssen sie diese Kosten ja über höhere Produktpreise wieder reinholen – und hohe Preise verderben das Geschäft.

So, wie das System jetzt organisiert ist, müssen die Hersteller die Zeche erst dann zahlen, wenn die Handys im Entsorgungssystem landen. Sie haben also kein besonderes Interesse, dass wirklich viele Handys in diesen Kanälen landen. Oder, um im obigen Bild zu bleiben: Wenn der ein- oder andere Hund auf dem Spielplatz übernachtet oder sich einfach ins Gebüsch schlägt, anstatt sich abholen zu lassen, haben die Halter davon einen Vorteil. Sie müssen nämlich nichts dafür tun, dass ihr Tier richtig versorgt wird. Ihr merkt schon, hier wird das Bild ein bisschen schief. Denn welche Hundehalter*in will schon ihr Tier auf dem Spielplatz verlieren? Bei den Handyherstellern ist es leider trotzdem so. Sie zeigen ihren ausgemusterten Geräten kaum Liebe.

 

Mehr sammeln mit Sammelquoten

Die Hersteller haben also wenig Interesse daran, den Rücklauf von alten Handys effektiver und nutzerfreundlich zu organisieren. Mit einer kleinen Änderung im System ließe sich diese ungünstige Interessenslage beseitigen. Das Stichwort heißt: Sammelquoten.

Denkt noch mal an die Hunde aus unserem Beispiel oben. Wenn jede Hundehalter*in genau so viele Hunde wieder abholen müsste, wie er*sie gebracht hat, wäre auch garantiert, dass kein Tier auf dem Spielplatz bleibt.

Wenn jeder Hersteller nachweisen müsste, dass er zum Beispiel 80 Prozent der Geräte, die er auf den Markt bringt, auch wieder einsammelt, dann müsste er sich etwas einfallen lassen, um die Verbraucher*innen zur korrekten Rückgabe der Geräte zu animieren.

Aktuell gibt es für die Hersteller keine solche Quote. Das könnte der Gesetzgeber ändern. Das zu kontrollieren wäre möglich, denn die Zahlen für die neue und die eingesammelte Elektronik werden ja schon erfasst.

 

Bessere Organisation der Rücknahme

Das würde vermutlich dazu führen, dass man Geräte bald leichter abgeben kann. Aktuell ist es zwar so, dass jeder größere Supermarkt alte Handys annehmen muss.

Oft muss man aber erst extra nachfragen – das ist alles andere als komfortabel. Stellt euch vor, es gäbe stattdessen in jedem Supermarkt eine gut sichtbare Box zum Abgeben von alter Elektronik. Das würde die ganze Sache deutlich vereinfachen. Wenn es mit alten Flaschen und Dosen klappt, wieso dann nicht mit Handys?

 

Anreize schaffen mit Pfandsystem

Als weitere Idee sei noch das Pfandsystem genannt. Wenn es uns schon Getränkedosen wert sind, so etwas umzusetzen, wie kann es dann bei Handys nicht klappen? Die haben einen enormen Umweltimpact und enthalten seltene Rohstoffe wie Gold und Silber.

Wenn ihr 20 Euro zurückbekämt, sobald ihr euer Handy wieder beim Hersteller abgebt, würden sicher weniger Handys in den Schubladen liegen bleiben oder gar im Restmüll landen. Aktuell hat ein solches Pfand nur Shiftphone aus Hessen – mehr dazu lest ihr hier in unserer Reportage.

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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