In dem Smartphone in deiner Hand stecken ein paar wenige Gramm Lithium. Das superleichte Metall wird gebraucht, damit der Akku so klein ist und trotzdem viel Strom speichert.
Dass dieses Lithium aus Chile kommt, ist ziemlich wahrscheinlich. Und es ist ein Problem für die Menschen vor Ort. „Bevor die Minengesellschaften hierher kamen, gab es eine Menge Wasser“, sagte der chilenische Bauer Hugo Diaz der Deutschen Welle. „Aber der Bergbau hat das Grundwasser verbraucht, die Firmen nehmen sogar Wasser aus dem Fluss, so dass wir Bauern nicht mehr das Wasser bekommen, das wir brauchen.“
Ganze 2,2 Millionen Liter Wasser werden geschätzt für die Gewinnung einer Tonne Lithium verbraucht. Das ist zwar zu großen Teilen Salzwasser, denn darin ist das Lithium gelöst. Aber nicht nur. Und die Gegend, wo Hugo Diaz wohnt, ist eine der trockensten der Welt – die Atacamawüste in den Anden. Berühmt für die riesigen weißen Flächen aus Salz. Und für Flamingos, die in den Salzseen winzige Krebse fressen. Von denen bekommen sie ihre pinke Farbe.
Boom: Der Hunger nach Lithium
Warum überhaupt Metall abbauen, wo es so trocken ist? In der Gegend in den Anden, wo sich Bolivien, Argentinien und Chile treffen, gibt es viele Salzseen. Hier, im sogenannten Lithium-Dreieck, lagern laut US Geological Survey (USGS) 54 Prozent von dem Lithium, das man auf der Welt abbauen kann.
Bei Rohstoffen ist oft von Ressourcen und Reserven die Rede. Reserven sind die Rohstoffe, die man mit heutzutage üblichem Aufwand abbauen kann. Deshalb sind sie die interessantere Zahl. Wenn die Reserven verbraucht sind, heißt es aber nicht, dass es gar nichts mehr gibt. Der Abbau wird aber schwerer.
Wir werden in Zukunft viel mehr Lithium brauchen. Denn in einer typischen Batterie für E-Autos stecken ungefähr zehn Kilo Lithium. Und es werden immer mehr E-Autos gebaut. Diese zehn Kilo hatten 2020 einen Wert von weniger als hundert Dollar. Drei Jahre später, 2023, liegt der Preis bei circa 700 Dollar. Ein wahnsinniger Boom.
Die wenigen Gramm im Smartphone scheinen nicht der Rede wert. Aber das täuscht. Es gibt allein in Deutschland etwa 210 Millionen alte Handys in den Schubladen. Fast alle davon haben Lithium-Akkus. Also reden wir von hunderttausenden Kilos, die zusammen ein paar dutzend Millionen Dollar wert wären.
Vielseitiges Metall
Lithium ist das leichteste Metall, das es gibt. Es schwimmt auf Öl – das sind die silbrigen Würfel aus dem Chemieunterricht.
Das Metall ist vielseitig, kann Tod bringen und Leben retten. Man kann aus Lithium Tritium gewinnen, um Atombomben zu bauen. Als Medikament kann es Menschen mit Depressionen helfen und macht Selbsttötungen seltener. Es ist das einzige Mittel, bei dem das wissenschaftlich bewiesen ist.
Wie das genau funktioniert? Wir wissen zumindest, dass Lithium verändert, wie schnell der Körper Signale verarbeitet und Glückshormone bewegt. Jeder Mensch hat Lithium im Körper, aber nur ganz wenig. Es kann leicht passieren, dass man zu viel Lithium nimmt und sich vergiftet oder schwere Nebenwirkungen erlebt. Man muss auf jeden Fall Ärzt*innen fragen, ob die Therapie sinnvoll ist.
Es verbindet sich leicht mit anderen Elementen und kommt oft gelöst im Wasser vor. Wenn das Wasser verdunstet, bildet es mit anderen Substanzen Kristalle – ganz ähnlich, wie Kochsalz. Eine typische Verbindung ist etwa Lithiumchlorid, das salzig schmeckt wie Natriumchlorid (Kochsalz), aber giftig ist.
Knappes Wasser für das weiße Gold
Die Unternehmen in Chile nutzen die Kristallisation, um das Lithium aus dem Wasser zu holen. Dazu pumpen sie das Wasser aus den Salzseen in große Verdunstungsbecken und lassen sie dort über Monate von der Sonne trocknen.
Ob das zum Wassermangel führt, ist zumindest umstritten. Denn das Wasser aus den Seen ist extrem salzig – Pflanzen kann man damit ohnehin nicht bewässern. Dennoch sehen viele Forscher*innen einen direkten Zusammenhang zwischen der Trockenheit und dem Lithiumabbau.
Denn das Abpumpen des Salzwassers könnte den Grundwasserspiegel insgesamt absenken. Damit wäre das rare Süßwasser in der Region für Pflanzen und Bauern schwerer erreichbar.
Außerdem verdunstet beim Abbau von Lithium nicht nur Salzwasser. Denn die gewonnenen Lithiumkristalle sind nicht rein, sondern enthalten auch andere Substanzen. Um daraus reines Lithium zu gewinnen, ist ein weiterer Verarbeitungsschritt nötig – und der verbraucht viel Süßwasser.
Das reine Lithium liegt nach diesem Schritt als weißes Pulver vor – daher hat das Metall den Spitznamen „weißes Gold“.
Am langen Arm der globalen Akku-Industrie verdurstet
Von dem Lithium-Boom sind die Menschen in den Abbauregionen in den Anden alles andere als begeistert. Ihr Wasser für das Lithium der Reichen? Koloniales Unrecht im 21. Jahrhundert.
In Argentinien gab es im Sommer 2023 Straßenblockaden Indigener. Eine von ihnen sagte laut taz: „Diese Tage sind entscheidend. Die Bergbaufirmen wollen das Lithium und die Wasserquellen auf unseren Territorien.“
Im benachbarten Bolivien sollte der Abbau von ACISA, einem Unternehmen aus Baden-Württemberg, in großem Stil betrieben werden. Dann gab es politische Probleme. Das unpopuläre Projekt wurde auf Eis gelegt, vielleicht für immer.
Wie könnte es anders gehen? Idee 1: Recycling
Das Fraunhofer-Institut hat Anfang 2023 ausgerechnet, dass der Wert der Rohstoffe aus alten Batterien in der EU 2040 zehn Milliarden Euro betragen könnte. Schon 2025 könnten es an die zwei Milliarden sein.
Ab 2026 müssen in Europa 35 Prozent des Lithiums aus Akkus recycelt werden, so sieht es die EU-Batterieverordnung vor. Im Jahr 2030 müssen es schon siebzig Prozent sein.
Das Lithium aus alten Akkus wird aber nicht reichen. Nur fünfzehn Prozent des Hungers könnte es stillen, im Jahr 2040. Bei Kobalt, einem anderen Stoff, der in Akkus vorkommt, schätzen die Forscher*innen immerhin, dass vier von zehn Akkus aus Recycling kommen könnten. Für das Jahr 2050 halten belgische Forschende es für möglich, dass 77 Prozent des benötigten Lithiums aus Recycling kommt.
Das macht ein bisschen Hoffnung. Denn das hieße auch: Für Smartphone-Akkus wäre locker genug Lithium aus alten Geräten da.
Idee 2: Lithium woanders abbauen
Lithium ist kein seltenes Element. Es kommt fast überall auf der Welt vor. Das Problem ist nur, dass man in einer Menge von Wasser oder Gestein genug haben muss, damit es sich lohnt, es rauszuholen.
Die Lithiumkonzentration in den chilenischen Salzseen liegt zwischen 0,3 und vier Gramm pro Liter. Gehen wir mal von 1,5 Gramm pro Liter aus. Auf eine Badewanne umgerechnet (150 Liter) bekommt man 225 Gramm zusammen.
Ein anderes Gebiet mit viel Lithium liegt in Deutschland. Es ist der Rheingraben in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Hier gibt es heißes Thermalwasser tief in der Erde. In Baden-Baden nutzt man diese Quellen für Kuren. In Bruchsal oder Insheim wird schon seit Jahren für Geothermie-Kraftwerke gefördert. Das Wasser ist nicht nur heiß, es enthält auch um die 0,2 Gramm Lithium pro Liter.
Dr. Jens Grimmer ist Geologe am KIT, einer Uni in Karlsruhe. Dort hatte er eine Idee: Wieso könnte man das Lithium nicht mit einer Art Sieb, genauer gesagt einer Membran, aus diesem heißen Wasser filtern? Die Geothermie holt es ja sowieso aus dem Boden.
Das klingt genial einfach. Es ist im Detail aber kompliziert. „Die Fließraten im Kraftwerk liegen bei 25 bis 70 Liter pro Sekunde. Damit muss man erstmal klarkommen.“
Siebzig Liter pro Sekunde – das könnte allein in einem Kraftwerk pro Sekunde vierzehn Gramm Lithium liefern. Grimmer geht davon aus, dass man mit Lithium vom Rhein etwa ein Fünftel des deutschen Bedarfs decken könnte. Die Deutsche Rohstoffagentur schätzt, dass europäische Förderung bis 2030 mehr als ein Drittel des Bedarfs decken kann.
Wenn der Mensch stark in die Natur eingreift, hat das aber immer Auswirkungen. Nicht nur die Menschen in Chile wollen trotz Lithiumabbau ein gutes Leben führen. Die Menschen in Bruchsal und Insheim wollen das auch. Die Bohrungen im Boden und die Geothermie haben in der Gegend keinen guten Ruf. Es gab Erschütterungen der Erde. Die haben in Wohnhäusern Risse verursacht.
Jens Grimmer arbeitet außer am KIT auch für die Firma Vulcan Energy, die die Lithiumförderung umsetzen will. Damit es klappt mit dem Lithium aus dem Rheingraben, wird die Firma den Menschen vor Ort und den Behörden zusichern müssen, dass man mit Monitoringsystemen genau aufpasst, was im Untergrund passiert.
Ausgefeilte Techniken, um zu sehen, was die Bohrungen im Boden bewegen, können helfen, die Risiken zu verstehen. Hundert Prozent Sicherheit gibt es aber nie. Ende 2025 will Vulcan Energy loslegen und in der ersten Phase Lithium für 600.000 Autobatterien aus dem Wasser filtern.
Es gibt auch eine Firma aus Kanada, Summit Nanotech, die mit einer Filtertechnik in Lateinamerika arbeiten will. Dann könnte man das mit den riesigen Verdunstungsbecken sein lassen. Das Wasser landet nicht in der Luft, sondern es wird wieder in den Boden geleitet. So stellt sich das auch Grimmer mit den Thermalwässern aus dem Rheingraben vor. Summit Nanotech sagt, dass sie mit ihrer Technik das Lithium in einem Tag statt anderthalb Jahren bekommen. Und dass man 96 Prozent weniger Platz braucht.
Letzter Stopp unserer Lithiumweltreise: Cornwall an der englischen Südküste. Hier soll schon in fünf Jahren Lithium in fester Form für 500.000 E-Autos pro Jahr aus Granitgestein geholt werden. Und 300 Menschen Arbeit geben. Es gibt aber auch heiße Quellen in der Nähe. Bei Probebohrungen hat man circa 0,1 Gramm Lithium pro Liter gefunden.
Nett ist das. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?
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