Der Bundesnachrichtendienst (BND) darf Menschen in anderen Staaten nicht mehr wie bisher massenhaft und anlasslos überwachen: Diese Form der Internetüberwachung von Ausländer*innen im Ausland ist verfassungswidrig, urteilte das Bundesverfassungsgericht am 19. Mai 2020.
Das höchste deutsche Gericht gab damit einer Verfassungsbeschwerde Recht, die die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) gemeinsam mit der Initiative Reporter ohne Grenzen und Journalist*innen-Verbänden 2017 eingereicht hatte.
Nachwehen des NSA-Skandals
Anlass für die Beschwerde war die Erneuerung des BND-Gesetzes aus dem Jahr 2016. Die Gesetzesänderung war in Folge der Enthüllungen des US-amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden nötig geworden. Er hatte unter anderem die massenhafte Weitergabe von Daten aus der Auslandsüberwachung des BND an den US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA öffentlich gemacht.
In Folge der Enthüllungen hatte es breite zivilgesellschaftliche Forderungen nach einer Einschränkung der Massenüberwachung im Internet gegeben. Stattdessen war das Vorgehen des deutschen Auslandsgeheimdienstes in der Gesetzesnovelle jedoch nachträglich legitimiert und legalisiert worden.
Das Bündnis der Kläger*innen sah darin einen tiefen Eingriff in die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte. Eine unbegründete und massenhafte Überwachung des Datenverkehrs mache es insbesondere investigativen Journalist*innen unmöglich, ihre Quellen zuverlässig zu schützen.
Grundgesetz auch im Ausland gültig
Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der "Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung", also des Sammelns von Kommunikationsdaten von im Ausland lebenden Ausländer*innen, wird im Urteil der Verfassungsrichter*innen nicht angezweifelt.
Das deutsche Grundgesetz sei aber auch im Ausland gültig: Die deutsche Verfassung gelte immer dann, "wenn der deutsche Staat handelt und damit potentiell Schutzbedarf auslösen kann – unabhängig davon, an welchem Ort und gegenüber wem".
Auch bei der Überwachung von Ausländer*innen im Ausland müssen somit die durch das Grundgesetz vorgegebenen Bedingungen eingehalten werden. Diese Feststellung macht einige Änderungen im BND-Gesetz notwendig, das die Möglichkeiten staatlicher Internetüberwachung regelt.
Diese Änderungen fordert das Urteil
Eine pauschale und anlasslose Überwachung im Ausland lebender Ausländer*innen verletzt laut Auffassung der Verfassungsrichter*innen die im Grundgesetz verankerten Abwehrrechte gegen Überwachung.
Insbesondere der Schutz von ausländischen Journalist*innen und ihren Quellen müsse deutlich ausgeweitet werden. So soll der BND in der Neufassung des Gesetzes verpflichtet werden, "Daten von (.) unter Verfolgungsdruck stehenden Dissidenten oder sogenannten Whistleblowern (.) nach Möglichkeit auszufiltern".
Außerdem soll der deutsche Geheimdienst Überwachungsdaten nicht mehr ohne Weiteres weitergeben dürfen. Dies soll nur dann möglich sein, wenn "die Verantwortung des Bundesnachrichtendienstes für die von ihm erhobenen und ausgewerteten Daten im Kern gewahrt bleibt".
Ab sofort sollen unabhängige Expert*innen den BND außerdem stärker kontrollieren. Diese Aufgabe sollen ausdrücklich "Personen mit (.) informationstechnischen Kenntnissen" erfüllen. Die Bundesregierung hat nun bis Ende 2021 Zeit, das BND-Gesetz den neuen Anforderungen anzupassen.