Ratgeber

Vorbild Österreich: Wie man die E-Schrott-Sammlung besser hinbekommt

Ein Artikel von , veröffentlicht am 06.03.2024
Foto: Paul Pastourmatzis

Im südlichen Nachbarland wird viel mehr E-Schrott gesammelt als hierzulande. Wie schafft Österreich das?

Wenn von zehn Elektrogeräten zwei mehr oder weniger richtig entsorgt werden, ist das schon ein riesiger Unterschied. Gerade, wenn es um zwei benachbarte, ähnlich wohlhabende Staaten geht. Die Rede ist von Deutschland und Österreich. Und mit der deutlich besseren Quote von 76 Prozent kann die Alpenrepublik punkten, während Deutschland bei mauen 54 Prozent liegt. Die Daten stammen aus einer Auswertung der Vereinten Nationen von 2022.

Österreich ist damit auch im Vergleich zu vielen anderen Staaten in Mitteleuropa besonders gut. Ähnlich gute Werte schaffen fast nur noch skandinavische Staaten wie Norwegen mit 74 Prozent Sammlung.

Übrigens ist Europa zwar besonders vorbildlich beim Sammeln, es erzeugt aufgrund unserer Kauflust aber auch mehr E-Schrott als beispielsweise afrikanische Staaten. So viel mehr, dass diese auch nach allen Sammelbemühungen hierzulande besser dastehen, wenn man sich die finale Bilanz anschaut. Das haben wir hier genauer angeschaut. Aber Sammeln ist natürlich trotzdem wichtig. Denn sonst läuft es wie in den USA oder Japan: Riesige Schrottmengen und viel zu geringe Sammelquoten. Sie liegt in beiden wohlhabenden Staaten bei nicht mal einem Viertel.

Erweiterte Herstellerver…was?

Dass die EU weltweit Spitzenergebnisse bei den E-Schrott-Sammelquoten erzielt, liegt an einheitlichen Gesetzen. Um 2005 führten alle EU-Staaten ein neues Konzept beim E-Schrott ein. Achtung, Wortungetüm: die sogenannte „Erweiterte Herstellerverantwortung“. Dabei geht es darum, dass jedes Unternehmen sich darum kümmern muss, dass seine Produkte auch wieder richtig entsorgt werden. Die Kosten sollen nicht an den Bürger*innen oder dem Staat hängen bleiben.

Damit das klappt, werden alle Elektrogeräte erfasst, die in Europa auf den Markt kommen – egal, ob sie importiert oder in Europa gebaut wurden. Wenn ein Unternehmen wie Samsung oder Apple besonders viele Handys oder Waschmaschinen auf den Markt gebracht hat, muss es auch besonders viel für die Entsorgung beisteuern.

Um dieses System zu überwachen, gibt es jeweils eine Art Schiedsrichter. In Deutschland heißt der „Elektro-Altgeräte Register“, kurz und laut Eigenschreibweise klein auch als ear bekannt – in Österreich „Elektroaltgeräte Koordinierungsstelle“ oder kurz EAK.

Vor- oder Nachkasse

Ein großer Unterschied ist der Zeitpunkt, zu dem die Hersteller die Rechnung bekommen: In Österreich schon für jedes neue Gerät. In Deutschland erst am Ende des Gerätelebens für jedes, das richtig gesammelt wurde. Wer ein Handy in Österreich auf den Markt bringt, muss schon dann eine Gebühr für die Entsorgung entrichten. In Deutschland fällt sie nur dann an, wenn das Handy im richtigen Container gelandet ist. Das führt dazu, dass im südlichen Nachbarland verhältnismäßig mehr Geld im Topf landet.

Eigentlich müssen zwar auch hierzulande alle Geräte korrekt gesammelt werden und sollten dann auch wieder zu einer Gebühr führen. Das klappt in der Praxis aber nicht gut genug. Ihr erinnert euch an die 54 Prozent von oben…

Was mit den nicht korrekt gesammelten Geräten passiert? Entweder sie landen im Hausmüll. Oder sie werden exportiert. Das ist zwar nur legal, wenn das Handy nachgewiesenermaßen noch funktioniert. Es sieht aber stark danach aus, dass illegalerweise auch kaputte Elektrogeräte ins Ausland exportiert werden. Die zerlegen dann Menschen beispielsweise in Ghana unter sehr gefährlichen Bedingungen.

Vor allem Handys finden ihren Weg hierzulande oft gar nicht in die Tonne sondern verstauben in Kisten und Schubladen – 200 Millionen sind es schätzungsweise in Deutschland.

Mehr Sammelstellen

Auf dem Papier klingt es gut: In Deutschland kann man kleine Geräte im Elektrohandel einfach so abgeben; auch in Supermärkten ab 800 Quadratmetern. Leider funktioniert das in der Praxis nicht überall. Die unkomplizierten Sammelboxen, wie es sie für Batterien gibt, findet man für Handys kaum.

Oft muss man dann erst beim gestressten Personal nachfragen und hoffen, dass der oder die Mitarbeiter*in über die Annahmepflicht Bescheid weiß. Die Deutsche Umwelthilfe klagte sogar wegen der schlechten Umsetzung, wie die Tagesschau berichtete. Eine niedrigschwellige Abgabemöglichkeit sieht anders aus – entsprechend zögerlich wird das Angebot genutzt. Diese Möglichkeit des sogenannten 0:1-Tauschs im Handel gibt es in Österreich nicht.

Bleiben noch die Schrottplätze und Wertstoffhöfe der Gemeinden. Hier ist Österreich deutlich besser versorgt: Rund 2.100 Sammelplätze gibt es insgesamt – das sind 235 auf eine Million Einwohnende. Deutschland kommt mit rund 3.500 Sammelstellen (Quelle: Uni Kassel) nur auf 42 pro Million. Pro Kopf ist das nicht mal ein Fünftel der Anzahl, die es in Österreich gibt.

Werft mal einen Blick auf die Sammelstellenkarte für Österreich, die ihr hier findet. Fast jedes größere Dorf bis in die Alpen hat eine zu bieten. Für Deutschland gibt es auch so eine Karte. Sie ist viel lückenhafter.

Eine Wundertüte für jedes Haus

Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit bekommt jeder Haushalt in Österreich außerdem eine „Mini-Sammelstelle“ frei Haus in den Briefkasten. Mit der „Ö3-Wundertüte“, einem Papierumschlag, kann man mehrere Handys unkompliziert loswerden, kostenlos in der Post. Die eingesendeten Handys werden von der Caritas geprüft, verkauft oder recycelt. Die Erlöse kommen Familien in Not zugute.

Das Interessante dabei ist: Eigentlich kann man mit alten Handys sogar Geld verdienen. Das macht es umso erstaunlicher, dass nicht mehr von ihnen gesammelt werden. Es scheitert oft an zu geringen Mengen. Das Sammeln lohnt sich nämlich erst ab einer größeren Anzahl von Handys. In Österreich wurden seit 2005 allein über die Wundertüte 7,4 Millionen Handys gesammelt. Mehr als zehn Millionen Euro Spenden kamen so zusammen.

Reparaturbonus vermindert E-Schrott-Menge

Damit weniger Elektroschrott anfällt, ist die beste Idee sowieso das Reparieren von beschädigten Geräten. Auch hier hat Österreich als Vorreiter hervorgetan. Seit 2022 gibt es im ganzen Land einen Bonus, wenn man sich in der Werkstatt helfen lässt. Bis zu 200 Euro pro Gerät. Das macht die umweltfreundliche Entscheidung fürs Reparieren leichter. Allein 2023 wurden so fast eine halbe Million Reparaturen gefördert. Und wo mehr repariert wird, kommen weniger neue Geräte in Umlauf, die dann auf dem Schrott landen. Außerdem können Teile von kaputten Handys noch mal als Ersatzkomponenten weiterleben. Ihr merkt es schon, wir sind Fans des Reparaturbonus. Wo es den auch hierzulande schon in ähnlicher Form gibt, haben wir hier aufgelistet.

Es gibt auch noch ehrgeizigere Ideen, um die Sammelquote zu steigern: Zum Beispiel eine verpflichtende Mindestmenge für die einzelnen Hersteller. Die müssten dann aktiv dafür sorgen, dass sie eine bestimmte Menge ihrer Produkte auch wieder eingesammelt bekommen. Oder ein Pfandsystem.

Doch damit das klappt, müsste es auch Kontrollen geben. Die scheinen allerdings schon beim Deutschen Rückgabesystem über den Handel nicht zu klappen. Tests ergaben etwa in Paderborn, dass die Info-Pflichten kaum eingehalten wurden. Das wäre doch mal ein Startpunkt, um genauer hinzuschauen.

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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