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Ratgeber

RCS: Mobilfunk-Messenger soll SMS ablösen

Ein Artikel von , veröffentlicht am 30.05.2018, bearbeitet am22.06.2018

Der Chat-Dienst RCS soll WhatsApp und Co. Konkurrenz machen. Wie die SMS läuft er über das Mobilfunknetz. Für die Entwicklung haben sich weltweit Mobilfunkanbieter mit Google zusammengetan. Doch noch ist einiges zu tun – auch in Sachen Sicherheit.

RCS: Mischung aus SMS und Chat

Im April 2018 überraschte Google die Messenger-Welt. Der Konzern verkündete, dass er die Entwicklung seines Messengers Allo pausieren und stattdessen seine Ressourcen in den Erfolg eines neuen Projekts stecken werde.

Unter dem schlichten Namen „Chat” will der Android-Entwickler den von Mobilfunkanbietern getragenen Chat-Dienst “Rich Communication Services” (RCS) endlich zum Erfolg führen.

Anders als andere Instant-Messenger ist RCS kein so genannter “Over the Top”-Dienst, der über eine beliebige Internetverbindung mit Nutzern desselben Dienstes funktioniert.

Stattdessen fährt der Standard zweigleisig: Er kann entweder, wie eine SMS, das ganz normale Mobilfunknetz nutzen oder aber Daten über WLAN versenden. Datenvolumen ist somit nicht notwendig. Unterstützt werden viele Formate: Textnachrichten, Multimedia-Dateien sowie Telefonie und Videotelefonie.

Aktuell bieten mehrere Anbieter eigene RCS-Apps an. Wer Message+ der Deutschen Telekom bei Android installiert, sieht gleich zwei neue Symbole in der App-Übersicht seines Smartphones. Unter Message+ kann der Nutzer die neuen Funktionen des Text-Chats nutzen. Hinter Call+ stecken die Telefoniedienste.

Mit Call+ können Nutzer auch Telefongespräche führen, wenn sie keinen Handyempfang haben, aber das Smartphone per WLAN mit dem Internet verbunden ist.

Nachrichten und Anrufe kommen immer durch

Gleichzeitig können sie zu einem Handygespräch über das normale Telefonnetz eine Videoverbindung zuschalten. Dabei ist es egal, ob der anrufende Nutzer das Mobilfunknetz oder eine WLAN-Verbindung nutzt.

Hat der Gesprächspartner jedoch nicht Message+ oder eine andere kompatible App installiert, erhält er einen normalen Sprachanruf oder eine normale SMS über das Telefonnetz ohne die Sonderfunktionen und gegebenenfalls mit entsprechenden Kosten.

Auch Googles App „Android Messages“ unterstützt die Übermittlung von Textnachrichten per RCS. So können die Nutzer, anders bei einer normalen SMS, auch Smilies und Sticker senden und bekommen eine Meldung, wenn ihr Gegenüber anfängt, eine Antwort zu schreiben.

Ende Juli 2018 erweiterte Google die App auch um eine Browser-Komponente. Ab jetzt kann man Nachrichten über die App von jedem Computer aus schreiben, wenn man vorher den Browser mit der App verknüpft.

RCS läuft unterwegs auch ohne Datenvolumen

Damit all das funktioniert, müssen zunächst einmal die Mobilfunkanbieter mitmachen, denn sie organisieren bei RCS die Übermittlung der Nachrichten und authentifizieren die Nutzer über die SIM-Karte. Wie bei der SMS benötigt man bei RCS also immer eine Handynummer.

In Deutschland unterstützen derzeit Telekom und Vodafone den Standard. Telefonica hat seine Mitarbeit an RCS hingegen auslaufen lassen.

Zusätzlich muss der Kommunikationsstandard in das Betriebssystem des Gerätes eingefasst sein. Bereits 2015 hat Google begonnen, RCS in Android zu integrieren. Apple hat bisher keine solchen Pläne angekündigt.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, könnte die Technik Vorteile aus zwei Welten verbinden: Einerseits ließen sich Nachrichten wie bei der SMS unabhängig von der Nutzung eines bestimmten Dienstes auf alle RCS-fähigen Geräte versenden.

Gleichzeitig könnten Nachrichten wie bei der klassischen Messenger-App unabhängig vom Mobilfunkvolumen verschickt werden.

Das Angebot stieß bisher kaum auf Interesse

RCS soll die Kommunikation über Anbietergrenzen hinweg ermöglichen. Entwickelt wird der neue Standard von der globalen Mobilfunkorganisation GSMA.

Bisher ist das Protokoll aber trotz weltweiter Anstrengungen von Mobilfunkanbietern nicht sehr verbreitet. So starteten mehrere Anbieter im Jahr 2012 unter dem Namen Joyn RCS-Chat-Dienste. Aufgrund von mangelndem Kundeninteresse wurde Joyn im Jahr 2015 eingestellt.

Allerdings kam bei Joyn noch eine rudimentäre Version des Standards zum Einsatz, die in der Praxis zu Problemen führte. Kunden unterschiedlicher Anbieter konnten nicht zuverlässig über die neue Technik kommunizieren. Zudem waren die Kosten für Endkunden relativ hoch.

Im Jahr 2017 hat die GSMA, auch dank der Unterstützung von Google, eine neue Version von RCS vorgestellt, das sogenannte „Universal Profile“. Es soll die Kommunikation mitsamt einer Reihe von Zusatzfunktionen endlich sicherstellen.

Unklar: Tarife und Finanzierung

Eine offene Frage ist, wie die Anbieter des Messengers – also die Mobilfunkunternehmen und Google – mit RCS Geld verdienen können. Davon hängt auch ab, ob und wieviel die Nachrichtenübermittlung via RCS kosten wird.

Derzeit (Stand Juni 2018) sind Nachrichten via Message+ für Kunden der Telekom bei „Laufzeitverträgen mit monatlichem Grundpreis sowie Prepaid-Tarifen mit gebuchter SMS- oder Datenflat“ inklusive. In Prepaid-Tarifen ohne entsprechendes Paket wird pro Nachricht 9 Cent berechnet. Für den Anbieter Congstar gelten andere Tarife.

Offenbar haben sich die Hersteller aber inzwischen von der Hoffnung verabschiedet, RCS über Gebühren profitabel zu machen: Während RCS für Privatkunden derzeit kaum beworben wird, bemühen sich Google und die GSMA aktuell vor allem darum, Geschäftskunden für den neuen Standard zu gewinnen. Es wird auch vom Erfolg dieser Kampagne abhängen, ob sich RCS Zukunft durchsetzt.

Nur Transportverschlüsselung geplant

Wie die weiteren Schritte aussehen, ist noch unklar – mit Veröffentlichungen wird erst 2019 gerechnet. Laut Angaben der GSMA unterstützen derzeit 55 von knapp 800 Mobilfunk-Providern weltweit den Standard. Theoretisch sind damit 1,8 Milliarden Nutzer weltweit per RCS erreichbar.

Kritisiert wird die Initiative, weil der Standard bisher zwar diverse Verschlüsselungsmethoden, aber anders als WhatsApp oder der Facebook-Messenger keine durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vorsieht, bei dem die Nachrichten nur von Sender und Empfänger, aber nicht vom Provider mitgelesen werden können.

Stattdessen sieht das Universal Profile starke Transportverschlüsselungen auf dem Weg vom Nutzer zum Anbieter und auf dem Weg von Anbieter zu Anbieter vor.

Was Transportverschlüsselung ist, erklären wir hier: TLS/SSL: Fragen und Antworten.

Fazit

Es wird für Google und die Provider nach wie vor schwer, die Nutzer von Chat oder Message+ zu überzeugen: Die Konkurrenz durch WhatsApp und Co. ist stark, der Umstieg auf den Kommunikationsdienst der Mobilfunkanbieter hat noch zu wenige Vorteile.

Ein Weg zu mehr Attraktivität wären starke Sicherheits-Features. Prinzipiell ist es möglich, dass bereits bestehende Messenger oder andere Apps RCS als Basis für ihre Übertragungen nutzen und eine eigene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ergänzen.

Solange RCS-Dienste nicht für jeden kostenlos sind, sind sie jedoch keine echte Konkurrenz - und für Entwickler anderer Messenger besteht kaum Anreiz, auf den Zug aufzuspringen.

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