Ratgeber

Partnerschaftsgewalt: Das Handy als Spion

Ein Artikel von , veröffentlicht am 14.11.2019
Foto: istock / william87

Wenn es in Beziehungen zu Gewalt kommt, spielt das Smartphone häufig eine Rolle. Viele Apps und Systemfunktionen lassen Überwachung zu. Doch man kann sich schützen.

In vielen Partnerschaften ist das Smartphone nicht einfach ein technisches Gerät. Es ist eine Art Co-Person, ein Vertrauter, der immer dabei ist. „Das Handy ist heutzutage etwas Intimes“, sagt Diplom-Psychologin Stefanie Pfingst. „Es ist immer in der Nähe und im Alltag unentbehrlich.“ Auch, um mit anderen Menschen in Kontakt zu sein. So werde es leicht zum Objekt der Eifersucht.

Stefanie Pfingst unterstützt in der Beratungsstelle Frauennetzwerk-Pinneberg Frauen, die Gewalt erleben, die von ihren Partnern geschlagen, kontrolliert und überwacht werden. Sehr häufig spielt dabei das Handy eine Rolle. Denn: „Manche Männer können es nicht ertragen, aus dem Smartphone ihrer Partnerin ausgesperrt zu sein.“ Sie finden dann Wege, sich Zugang dazu zu verschaffen. Entweder, indem sie ihre Partnerin unter Druck setzen – oder ihr heimlich nachspionieren.

Da dieser Text die Erfahrungswerte von Frauenberatungsstellen aufgreift, werden nur Frauen als Betroffene von Partnerschaftsgewalt beschrieben. Laut Daten des Bundeskriminalamts sind unter den Opfern von Partnerschaftsgewalt rund 82 Prozent Frauen und 18 Prozent Männer (Berichtsjahre 2016 und 2017).

Das Ganze fängt meist schleichend an. Wenn Partner*innen einander nicht oder nicht mehr vertrauen, werde das Handy manchmal als Liebesbeweis benutzt, sagt Pfingst. „Nach dem Motto: Wenn du nichts zu verbergen hast, kannst du mir ja deine Nachrichten zeigen.“ Oder: „Wenn du mir deinen Sperr-Code nicht verraten willst, liebst du mich nicht richtig.“

Häufig kauft der Mann der Frau das Handy

Solche emotionalen Erpressungsversuche würden von Frauen oft nicht erkannt. „Stattdessen gehen sie eine Weile darauf ein, bis es ihnen zu viel wird“, sagt Pfingst. Technische Grenzen, etwa ein neuer Sperr-Code auf dem Handy, würden nicht immer akzeptiert: „Das kann durchaus Krach geben.“ Für viele Frauen sei es schwierig, konsequent nein zu sagen.

Das Smartphone ist aus Pfingsts Sicht etwas sehr Persönliches – wie ein Tagebuch, das gut behütet und nie aus der Hand gegeben wird. Deshalb sei es wichtig, schon die ersten Alarmsignale ernst zu nehmen und, wenn nötig, Grenzen zu setzen.

„Was ich von mir zeige und was nicht, entscheide ich jederzeit selbst“, formuliert Pfingst als gesunde Regel, die in jeder Beziehung gelten sollte. Geteilte Passwörter seien kein Liebesbeweis. „Bildschirmsperren und Ähnliches als etwas Privates zu akzeptieren, ist in der Partnerschaft vielmehr ein Zeichen von Respekt.“

Doch die Realität sieht oft anders aus. Häufig kauft der Mann der Frau das Handy, weil er mehr Geld hat, erzählt Pfingst. „Im nächsten Schritt ist er es, der sich besser mit Technik auskennt und das Gerät einrichtet.“ Das Thema Privatsphäre hätten Frauen dabei oft nicht auf dem Schirm.

Spionage-Apps lesen Nachrichten und Fotos aus

Im schlimmsten Fall kann so eine Spionage-App auf dem Handy der Partnerin installiert werden. Solche Apps lesen ein fremdes Handy aus und schicken private Informationen an den Spion. Im Internet werden sie gezielt an eifersüchtige Partner vermarktet.

Der Anbieter der App Spyzie bewirbt sein Produkt zum Beispiel als logischen nächsten Schritt bei der Vermutung, die Partnerin könne fremdgehen. „Wenn Sie die Zeichen bemerkt haben, dann sind Sie für die nächste Phase bereit“, heißt es auf der Webseite. „Das [Verwenden einer Spionage-App] ist das ideale Mittel, um eine untreue Freundin zu erwischen.“

Spyzie kann zum Beispiel Nachrichten, Anruflisten und den Standort auslesen. Die App kostet in der Basisversion 30 Euro, in der „Ultimate“-Version 50 Euro pro Monat. Das Support-Formular verspricht Hilfe innerhalb von 48 Stunden. Hersteller anderer Spionage-Apps bieten auch Live-Chats und Live-Support bei der Installation der App auf dem Fremdgerät.

Eine andere Person ohne deren Zustimmung übers Handy zu überwachen, ist in Deutschland illegal und kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Deshalb geben einige Anbieter von Spionage-Apps ihre Produkte offiziell nur für legitime Zwecke weiter. Eltern könnten so ihre Kinder, Chef*innen ihre Mitarbeiter*innen kontrollieren, heißt es – vorausgesetzt, diese stimmen der Installation der Überwachungssoftware zu.

Dass dies nur vorgeschobene Szenarien sind, kann man bei verschiedenen Herstellern jedoch leicht zwischen den Zeilen lesen. Beispielsweise weist der Anbieter der App XNSPY ausdrücklich darauf hin, dass per Fernzugriff Inhalte der Dating-App Tinder ausgelesen werden können: „Dies geschieht heimlich, ohne dass Ihr Ziel jemals davon erfährt.“

Installation nur mit direktem Zugang zum Handy

Für die Installation einer Überwachungs-App braucht der Spion physischen Zugriff auf das Zielgerät – eine technische Grenze, die zunächst aufatmen lässt. Jedoch bringt sie wenig, wenn der Täter oder die Täterin die Bildschirmsperre des Handys kennt und nur warten muss, bis die Besitzerin oder der Besitzer unter der Dusche steht oder schläft.

Zu Pfingst in die Beratungsstelle kommen manchmal Frauen, die sich nicht erklären können, woher ihre Partner oder auch Ex-Partner so viele Details über ihren Alltag wissen. Die Sozialarbeiterin fragt dann nach, ob es sein könnte, dass das Handy überwacht wird. „Die meisten Frauen fallen aus allen Wolken“, sagt Pfingst. „Dass es Spionage-Apps gibt, ist kaum jemandem bewusst.“

Wie Überwacher auf die Idee kommen, eine Spionage-App einzusetzen, ist dagegen leicht nachzuvollziehen. Wer das Stichwort „Partner überwachen“ in die Google-Suche eingibt, findet eine erschreckende Vielzahl von Empfehlungstexten und Spy-App-Vergleichen – auch von vermeintlich seriösen Medien. Viele der Angebote sprechen explizit Männer an.

Laut einer Recherche des Magazins VICE nutzen mehr als 1000 Deutsche die Spionage-App Flexyspy. Das Magazin hat mit Männern gesprochen, die damit ihre Partnerinnen ausspionieren.

Ein schlechtes Bauchgefühl immer ernst nehmen

Dass jemand seine Partnerin übers Handy überwacht, passiere aber nicht von jetzt auf gleich, sagt Pfingst. Vielmehr seien schon kleinere Ansprüche auf die Privatsphäre Zeichen, dass in der Beziehung etwas schieflaufe.

Frauen sollten daher aufmerksam sein und ein schlechtes Bauchgefühl immer ernst nehmen. Dann sei es Zeit, offen zu reden und die eigene Privatsphäre zu verteidigen. „Freiräume müssen für jede Person in jeder Beziehung erhalten bleiben“, sagt Pfingst. Und dazu gehört auch die Hoheit über das eigene Smartphone.

 

Empfehlung: Das eigene Gerät gut absichern

  • Spionage-Apps sind nicht die einzige Möglichkeit, viel über die Partnerin oder den Partner zu erfahren. Auch gespeicherte Browser-Passwörter und leicht zu beantwortende Sicherheitsfragen sind ein Einfallstor für Überwachung in der Beziehung.
  • Über das mit dem Handy verknüpfte Google-Konto (Android) bzw. die iCloud (iOS) lässt sich unter anderem der Standort abrufen. Wie Sie Ihren Cloud-Dienst absichern, erklären wir hier für Android-Handys und hier für iPhones/iPads.
  • Wie das Handy in Partnerschaften zum Problem werden kann, was sie Betroffenen rät und wo es Hilfe gibt, erzählt Stefanie Pfingst in diesem Interview.

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