Die Ergebnisse unserer vierten Apptest-Auswertung waren selbst für unsere Maßstäbe drastisch: Mit dem AppChecker, unserem eigens entwickelten Testsystem für Android-Apps, haben wir zwanzig beliebte E-Mail-Clients aus dem Google Play-Store genau unter die Lupe genommen.
Bei sieben davon müssen wir von der Nutzung dringend abraten: Diese Apps lasen E-Mails und Mail-Adressen aus und schickten sie an ihre Herstellerfirmen. Aus Sicht der Nutzer*innen, aber auch des Verbraucherschutzes: ein Desaster.
Das Versagen der App-Stores
Welchen Rat können wir Verbraucher*innen geben, um solche Apps schon im App-Store zu erkennen? Im aktuellen Beispiel: leider keinen. Im Google Play-Store landen einige der besagten Apps ganz oben in der Trefferliste, glänzen mit hohen Download-Zahlen und guten Bewertungen. Auch während der Nutzung gibt es keine Hinweise auf das katastrophale Verhalten der Apps.
Was auch die drei vorherigen Studien zeigen, die wir mit Hilfe des AppCheckers erarbeitet haben, bestätigt sich hier in drastischer Form: Die Ansprüche von Verbraucher*innen an Transparenz, Wahlfreiheit und Selbstbestimmung sind in den etablierten App-Stores nicht zufriedenstellend umgesetzt.
Und wie, fragen wir uns, sollen Nutzende sich unter diesen Umständen für mehr Datenschutz entscheiden können? Für Apps, die nur notwendige Daten erheben und ihre Privatsphäre tatsächlich respektieren?
Diese Frage treibt uns bei mobilsicher.de schon länger um. Deshalb stellen wir seit Oktober 2020 den AppChecker bereit, der Verbraucher*innen hilft, eine sichere Entscheidung zu treffen. Das von uns entwickelte Tool liefert seitdem permanent neue, kritische Testberichte.
Neues Kapitel im Verbraucherjournalismus
Von der Vorstellung, dass unsere Arbeit nach fünf Jahren Verbraucherjournalismus in der Smartphone-Welt getan sein könnte, weil inzwischen wirklich jede*r weiß, wie man mit Apps und Smartphones richtig umgeht, haben wir uns inzwischen auch verabschiedet.
Es liegt nicht an den Verbraucher*innen: Wir sind regelmäßig in Kontakt mit Leser*innen, die sich für ihren persönlichen Datenschutz engagieren und die Systeme, die sie nutzen, wirklich verstehen wollen. Die Entwicklungsarbeit der großen Firmen schreitet dabei aber so schnell voran, dass eine kritische Begleitung durch unabhängige Fachpersonen notwendig bleibt.
Mit dem AppChecker begann ein neues Kapitel in diesem Projekt – und übrigens auch eine neue, innovative Form des Journalismus.
Nicht nur, dass wir uns mit dem Testsystem unsere eigene Informations- und Datenquelle geschaffen haben. Aus diesen Daten erzeugen wir neben einer Bewertung für jede App auch lesbare Testberichte, in denen die Ergebnisse verständlich eingeordnet werden. In einer Online-Welt, in der Daten längst die wichtigste Währung sind, ist innovativer Datenjournalismus dringend notwendig.
Übrigens: Die Ergebnisse unserer Arbeit gehören Ihnen, also der Öffentlichkeit. Das gilt insbesondere für unsere Software, die unter einer Open-Source-Lizenz steht und von jeder Person genutzt und weiterentwickelt werden darf. Aber auch für unsere Texte, die unter Creative-Commons-Lizenzen von allen weiter verbreitet werden dürfen. Schließlich finanzieren Sie alle uns durch Steuergeld, das wir in Form einer Förderung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz erhalten.
Nächste Station: Nachhaltigkeit
Seit es mobilsicher.de gibt, kritisieren wir Apps, die unnötig viele Nutzerinformationen erfassen und an eigene oder fremde Server schicken.
Aus diesen Datenströmen speist sich eine ganze Industrie, die von personalisierter Werbung über Nutzeranalyse bis zum Datenhandel allen möglichen Tätigkeiten nachgeht und die im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist.
Diese Industrie wirft zum einen Probleme für Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung auf. Zum anderen verursacht sie auch ökologische Kosten.
Wie viele Rechenzentren und Serverfarmen müssen gebaut, mit Strom versorgt und mit Wasser gekühlt werden, damit gigantische Werbenetzwerke passgenaue Werbevideos in unseren Apps einspielen können? Wie viele Funkmasten und Glasfaserkabel müssen betrieben und gewartet werden, um die ganzen Daten zu transportieren, die zusätzlich zur eigentlichen Funktion eines Dienstes anfallen?
Was ist also der ökologische Preis dafür, dass wir Dienste statt mit Geld mit Daten und Aufmerksamkeit bezahlen? Bislang wurde er nicht beziffert. Das wollen wir ändern.
Dieser und vielen anderen Fragen rund um den Ressourcenverbrauch von Apps gehen wir im kommenden Projektjahr nach und erweitern unseren AppChecker um Informationen zur Nachhaltigkeit.