Spanien hat die EM 2024 gewonnen. Ein Verlierer bei dieser Meisterschaft war hingegen der Datenschutz. Denn die Ticket-App der UEFA erfasst die Standortdaten der Fans und gibt sie an die Polizei weiter. Ganz stolz zeigt das eine Beamtin in einer Doku des BR - andere Medien berichteten.
Die Daten sollen dabei helfen, größere Ansammlungen von Fans zu erkennen und so Gewalt vorzubeugen. Nach Angaben der Polizei sind die Nutzer*innen dabei nicht einzeln zu identifizieren. Die App ließ sich auch offline nutzen - in diesem Fall wurden keine Daten übertragen.
Dass Standortdaten aus der App weitergegeben werden, ist nicht direkt ersichtlich. Dafür müssen Fans erstmal in die Datenschutzerklärung reinschauen - wie üblich eine lange Textwüste. Da steht dann etwa: „Es ist möglich, dass die UEFA Ihre personenbezogenen Daten in den folgenden Situationen aus berechtigtem Geschäftsinteresse verarbeitet: (...) Gewährleistung der Sicherheit bei Veranstaltungen und Aktivitäten sowie in den Stadien der UEFA.“ Zu den Drittparteien, die Daten bekommen, gehören „die Polizei oder staatliche Behörden“.
Wie heikel auch angeblich anonyme, aggregierte Standortdaten sein können, zeigt aktuell eine Recherche von netzpolitik.org und dem Bayerischen Rundfunk. In einem Satz: Mit Standortdaten, die Journalist*innen auf dem regulären Werbemarkt einkauften, konnten sie einzelne Personen relativ leicht identifizieren.
Warum Standortdaten meistens nicht anonym sind und was das mit Apps und der Werbe-ID zu tun hat, könnt ihr in unserem Beitrag Das Märchen von den anonymen Standortdaten nachlesen. Die Analyse ist von 2021, funktioniert aber offensichtlich heute noch genauso gut wie damals.
Mehr zur Werbe-ID
Ihr könnt die Nutzung der Kennummer mit unserer Anleitung einfach abstellen.
Vielleicht seid ihr selbst in dem Datensatz enthalten, den der BR ausgewertet hat. Dieses Tool von netzpolitik kann das erkennen.
Wenn man ohne App ausgeschlossen ist
Die Ticket-App war bei der EM in Deutschland der einzige Weg, mit dem man ins Stadion kam. Das schließt alle aus, die kein Smartphone haben. Und auch all diejenigen, die es mit einem alternativen Betriebssystem wie /e/ oder Graphene nutzen. Die UEFA lässt also nur diejenigen live mitfiebern, die sich mit Google oder Apple einlassen.
Wir haben das auch schon bei der App DB Navigator kritisiert. Denn wenn man Nachteile – welche das bei der DB sind, steht hier – hat, weil man den Datenschutzbedingungen der großen Tech-Konzerne nicht zustimmen will, dann ist diese Zustimmung nicht mehr freiwillig. Das muss sie laut DSGVO aber sein, sonst ist sie nicht gültig.
Besonders schwer wiegt das im Fall der Bahn, weil es um öffentliche Infrastruktur geht. Aber auch eine so wichtige Veranstaltung wie die Fußball-Europameisterschaft sollte möglichst allen zugänglich sein.
Alternativen sind möglich
Als wir uns mit der Bahn-App auseinandergesetzt haben, stießen wir immer wieder auf das Argument, dass die App doch der modernste Weg sei. So teilte uns eine Sprecherin damals mit: „Deutschland ist viel digitaler als man denkt. Digitale Services gehören für die ganz große Mehrheit der Menschen in Deutschland mittlerweile genauso zum Alltag wie bisher der Gang zum Supermarkt.“
Das bezweifelt hier niemand. Wir sind ganz und gar nicht gegen Apps und immer Fans von Digitalisierung, wenn sie das Leben erleichtert. Hier hakt es aber leider. Viel zu oft werden Apps für Werbung und Tracking oder gar – wie bei der UEFA – zur polizeilichen Überwachung eingesetzt. Und den Nutzenden bleibt keine Wahl.
Dafür könnte man auf einfache Alternativen setzen. Zum einen gibt es von vielen Apps quelloffene Versionen. Die kann man dann auch ohne Apple und Google nutzen, etwa über den freien App-Laden F-Droid.
Aber auch ohne Smartphone sollte man nicht vom öffentlichen Leben ausgeschlossen sein. So sollte der Zugang zum öffentlichen Leben (dazu gehört die Bahn) oder zu wichtigen Veranstaltungen nach wie vor auch analog möglich sein.
Immerhin hat die Bahn diesen Weg auch für die Bahn-Card offengehalten, nachdem es Kritik an der Entscheidung gab, die Rabattkarte nur noch in der App anzuzeigen. Vielleicht ein Vorbild für die EM-Verantwortlichen.
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