Erinnert ihr euch noch an die Zeiten, als man den Akku eines Handys mit drei Handgriffen austauschen konnte? Zuhause, ohne Werkzeug, easy!
Heute sind nahezu alle Smartphones verklebt und nur eine Werkstatt kann den Akku wechseln. Was dazu führt, dass sich viele Nutzer*innen nach rund zwei Jahren, wenn der Akku schwächelt, lieber gleich ein neues Handy kaufen.
Das ist gut für die Hersteller, aber schlecht für den Geldbeutel der Nutzer*innen und verheerend für die Umwelt. Die EU wollte dem einen Riegel vorschieben und zwar mit der EU-Verordnung 2023/1670, die ab Juni 2025 gilt.
Darin steht, dass Smartphones so gebaut sein müssen, dass Akkus von Laien ohne Spezialwerkzeug gewechselt werden können. Die Hersteller fanden diese Idee nicht so gut. Und haben flugs ein Schlupfloch in die Verordnung hineinverhandelt: Eine Ausnahme für wasserdichte Geräte und besonders haltbare Akkus. Damit bleibt dann doch fast alles beim Alten.
Oder?
In derselben EU-Verordnung steht auch, das Displays von Laien wechselbar sein müssen. Dafür gibt es keine Ausnahme. Auf Seite 68 im deutschsprachigen Gesetzestext unter Punkt 5.b) könnt ihr das selber nachlesen.
Warum das ein echter Knaller ist
Um ein modernes Smartpone zu öffnen, reicht es nicht, ein paar Schrauben aufzudrehen; die meisten haben nicht mal welche. Das Display ist stattdessen mit Klebstoff am Gehäuse befestigt.
Diesen Kleber muss man erstmal aufweichen - in der Regel mit Wärme. Um dabei nicht den Akku zu grillen, braucht man spezielle Wärmeplatten oder Kissen, die genau die richtige Temperatur halten. Ist der Kleber weich, muss man das Display mit einem saugnapfbewehrten Hebelwerkzeug vorsichtig auseinanderpraktizieren. Wer versucht, es an der Kante aufzuhebeln, wird es sehr wahrscheinlich zerbrechen.
Im Klartext heißt das: Wenn Smartphones wirklich so gebaut sein müssen, dass das Display von Laien ohne Spezialwerkzeug gewechselt werden kann, dann ist die Sache mit dem Kleber Vergangenheit. Ab Sommer 2025, EU-weit, ohne Ausnahme.
Haben die Lobbyisten geschlafen?
Man kann Smartphones ohne Kleber bauen. Hersteller von modularen Geräten, wie Fairphone oder Shift, machen es vor. Aber diese Geräte sind schon sehr anders als herkömmliche Smartphones. Mit Ausnahme der beiden genannten müssten sämtliche Hersteller ihre Bau- und Businesspläne grundlegend ändern.
Dabei auch noch Design, Leistung und Wasserfestigkeit von aktuellen High-End-Geräten zu erreichen, halten wir für ganz schön heikel. Viel schwieriger jedenfalls, als die Sache mit dem wechselbaren Akku. Denn bei dem gibt es zumindest ein bisschen Spielraum bei der Frage, wo im Gerät er platziert und wie er gebaut ist.
Dabei wurde um diesen wechselbaren Akku heftig gestritten, viel berichtet und letztlich eine Ausnahmeregelung gefunden. Umso erstaunlicher, dass der Hammer mit dem Display einfach so durchlief – ganz ohne Lobbyschlacht und großen Kampagnen.
Was war da los bei den Herstellern? Haben ihre Lobbyisten geschlafen? Sind sie mit den beiden Ökodesign-Verordnungen durcheinandergekommen (es gibt zwei, nur eine davon regelt explizit Smartphones)? Oder gibt es ein Schlupfloch, das wir übersehen haben?
Stimmt das wirklich?
Wir fanden die Aussage dieser Gesetzespassage jedenfalls so erstaunlich, dass wir erstmal dachten, wir hätten das als Nicht-Jurist*innen falsch verstanden. Oder dass es ganz einfach ein Fehler ist. Das Gesetz ist verschachtelt, mit Anhängen und Querverweisen. Wer sich umhört, erfährt, dass es schonmal Copy-Paste-Probleme gibt, wenn solche komplizierten Regeln ausgearbeitet werden.
Das Bundesumweltministerium hat den Sachverhalt aber bestätigt (Transparenzhinweis: Das BMUV ist Geldgeber der aktuellen Projektphase von mobilsicher.de). Auf Anfrage von mobilsicher.de schreibt die Pressestelle des BMUV:
"Anhang II.B. Nr. 5 (der Verordnung (EU) 2023/1670, Anm. d. Red.) stellt Anforderungen an die Zerlegung der Smartphones und unterscheidet dabei zwischen Generalisten (Nr. 5a) und Laien (Nr. 5b). Displaybaugruppen sollen von beiden Gruppen ausgetauscht werden, d.h. die Zerlegung sollen sowohl Generalisten (Nr. 5 a) als auch Laien (Nr. 5 b) durchführen können."
Auch die Deutsche Umwelthilfe folgt dieser Lesart und schreibt auf Anfrage von mobilsicher.de:
„Nach eingänglicher Prüfung des Gesetzestextes stimmen wir Ihnen zu, dass diese Designvorgaben ab Juni 2025 eingehalten werden müssen. Aus Umwelt- und Verbraucherschutzsicht begrüßen wir dies. Es ist ein wichtiger und richtiger Schritt im Hinblick auf die Reparierbarkeit von Smartphones und damit einhergehend in Puncto Ressourcenschutz.“
Wenn es nach dem Gesetzestext geht, dann sollte also alles klar sein. Wer schon mal eine rote Ampel in Berlin gesehen hat, weiß aber, dass nicht alles so läuft, wie es sich Gesetzgeber vorstellen. Die Hersteller Samsung und Apple jedenfalls, die wir ebenfalls zu dem Sachverhalt angefragt haben, halten sich bislang bedeckt. Samsung hat unsere Mail ganz ignoriert, Apple hat zwar geantwortet, aber nicht auf unsere Fragen.
Ob man sich in der Branche erhofft, das Ganze einfach aussitzen zu können? Ob es letztlich vor Gericht entschieden wird? Wir bleiben dran und halten euch auf dem Laufenden.