An schwärmerischen Worten sparen sie nicht: „Zur Auswahl steht eine schier endlose Anzahl von Apps im Windows Phone Store – von Trip Advisor über Instagram bis zu WhatsApp und Candy Crush Saga. Sie alle sind verfügbar und sicher.“
So steht es im Marktplatz von Kaufland zu lesen. Ein Drittanbieter bietet hier das Microsoft Lumia 640 an – für 69 Euro. Klingt nach einem Schnäppchen für das Neugerät.
Doch kaum eins der Versprechen im Produkttext stimmt. Endlos Apps? Das ist schlicht falsch. Das Betriebssystem Windows Phone wurde längst eingestellt. Der App-Store funktioniert gar nicht mehr. Verfügbar, sicher..? Keineswegs.
Was ist ein Betriebssystem?
Das Betriebssystem ist die Software, die dafür sorgt, dass die Grundfunktionen bei einem Gerät laufen. Dass man es zum Beispiel einschalten kann und der Bildschirm angeht. Microsoft hat so ein System für Smartphones gebaut: Windows Phone und Windows Mobile. Es ist aber nicht dasselbe wie Windows für Computer. Die bekanntesten Systeme für Smartphones sind heute Android von Google und iOS von Apple.
Und das Angebot ist kein skurriler Einzelfall. Nicht nur Kaufland listet dieses mehr oder weniger nutzlose Handy im Marktplatz, auch im Amazon Marketplace sind etliche Modelle mit Windows-Betriebssystem zu finden.
Welche Funktionen laufen überhaupt auf so einem Windows-Handy?
Wir haben uns ein Lumia 640 mit Windows Phone 8.1 bestellt und getestet, ob es noch für irgendetwas taugt. TLDR: Nein.
Was auf Windows Phone 7 und 8 noch funktioniert
Diese Liste ist kurz:
1. Telefonieren
2. Reine Offline-Funktionen wie Kamera oder Wecker stellen
3. E-Mail… aber nicht mit outlook oder gmail-Adressen
Alle Funktionen, die ein Smartphone eigentlich smart machen, laufen hingegen nicht mehr:
- Keine Verbindung zum Microsoft-Konto. Damit sind Synchronisation und Backup über das Microsoft-Konto nicht möglich. Auch das Adressbuch lässt sich so nicht exportieren und die Möglichkeit, ein verlorenes Handy zu orten, gibt es ebenfalls nicht.
- Kein Zugriff auf den Microsoft-Store. Neue Apps können damit nicht installiert, vorhandene nicht aktualisiert werden.
- Kein Netzwerk: Vorinstallierte Apps, die auf Informationen im Internet zugreifen, bekommen keine Verbindung. Darunter alle MSN-Dienste (Wetter, News, etc.)
- Veralteter Browser: Der vorinstallierte Browser Microsoft Edge kommt zwar ins Internet, ist aber auf dem Stand von 2017 und weil es keinen App-Store gibt, lässt er sich nicht aktualisieren. Die meisten Webseiten werden nicht richtig dargestellt und aus Sicherheitsgründen können wir von der Nutzung nur abraten.
Wenn ihr jetzt denkt, ok, dann lasst uns das Handy doch als Kamera verwenden… Damit wird es auch nichts. Denn die Bilder dann vom Gerät zu bekommen, das klappt mit jeder Analog-Kamera aus DDR-Produktion einfacher als mit einem Windows Phone.
Das Problem: Was jeder USB-Stick ab Werk kann, hat Microsoft hier absichtlich unterbunden: Geräte mit Windows Phone werden nicht erkannt, wenn man sie an einen PC (mit Windows Betriebssystem) anschließt.
Früher gab es für die Synchronisation das Programm Zune – das ist aber ebenfalls längst eingestellt. Wer es trotzdem findet und von obskuren Pages herunterlädt, hat auch nichts davon, denn es erkennt das Handy nicht.
Glück hat nur, wer die Synchronisation mit Zune noch zu Zeiten eingerichtet hat, als die Microsoft-Handys noch Support hatten. Dann gibt es eine gute Chance, dass sie jetzt auch noch funktioniert.
Und auf Windows 10 Mobile?
Fast der einzige Pluspunkt, den die zuletzt veröffentlichte Version, „Mobile 10“, gegenüber den beiden Vorgängern hat: Man kann hier doch noch das Handy per Kabel mit dem Desktop verbinden und Fotos oder Musik übertragen.
Mit viel Mühe ist es und sogar gelungen, auf dem Lumia 650 mit Windows 10 Mobile ein Microsoft-Konto zu hinterlegen und zum Beispiel das Adressbuch zu synchronisieren. Das funktionierte aber nur ab und an und scheint eher eine Restfunktionalität zu sein, die noch nicht abgeschaltet wurde.
Alles in allem also auch kein sinnvoller Kauf. Erst recht nicht, wenn die Händler das volle Spektrum der digitalen Angebote versprechen.
Für uns bleibt Windows für Handys eine Fußnote aus vergangenen Zeiten. „Es ist kein neues Kapitel in der Smartphone-Geschichte. Sondern ein neuer Anfang“, versprachen die Werbespots von Microsoft vor dreizehn Jahren. Ein Anfang der jetzt längst Geschichte ist. Wird Zeit, auch die Zombie-Angebote in den Marktplätzen zu beenden.
Nicht verboten, aber grob irreführend
Es ist nicht illegal, veraltete Technik zu verkaufen. Aber dass sie ein Handy kaufen, das fast nur noch fürs Museum taugt, das muss für Käufer*innen ersichtlich sein. Wer noch die alten Produkttexte verwendet, wie die Marktplatz-Anbieter bei Amazon und Kaufland, verspricht etwas, das er nicht liefern kann.
Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich als Käufer zu wehren. Seit Ende 2022 gilt: Händler müssen als Teil der gesetzlichen Gewährleistung „Updates für Waren mit digitalen Elementen bereitstellen, die für die volle Nutzbarkeit erforderlich sind“, schreibt die Verbraucherzentrale.
Käufer*innen können sonst einen Ersatz oder eine Erstattung verlangen. Das heißt, dass ihr jedes Windows-Handy zurückgeben könnt, weil sein digitales Innenleben nicht hält, was die Händler versprechen.
Wie ist es mit Android und Apple?
Das Rückgaberecht gilt genauso für veraltete Androids, wie man sie auch häufig im Handel findet. Apple macht bei der Update-Dauer einen ganz guten Job. Aber auch hier werden vereinzelt noch Modelle wie das iPhone 4 gehandelt. Die bekommen keine Updates mehr.
Wenn ihr auf ein Angebot wie das mit dem Windows Phone reingefallen seid, fallen euch die Probleme wahrscheinlich schnell auf und ihr braucht gar keine Gewährleistung. Denn bei Online-Käufen könnt ihr 14 Tage lang ganz einfach vom Kauf zurücktreten und das Handy ohne Begründung wieder an den Händler schicken. Das Geld gibt es dann zurück.
Gesetze schützen euch also und könnten eigentlich verhindern, dass es solche Angebote wie das des Lumia überhaupt gibt. Wie es sein kann, dass trotzdem noch solche Handys verkauft werden?
Wir gehen davon aus, dass die relativ kleinen Händler auf den Marktplätzen von Kaufland und Amazon sich der Update-Problematik nicht voll bewusst sind. Darunter leider aber die Käufer*innen. In der Verantwortung sehen wir auch Amazon und Kaufland. Die könnten solche Angebote nutzloser Technik schließlich unterbinden.
Das sagen die Plattformbetreiber
Wir haben Kaufland und Amazon gebeten, sich zu den Artikeln in ihren Marktplätzen zu äußern. Keines der beiden Unternehmen hat auf unsere Anfrage geantwortet. Falls wir etwas Neues hören, werden wir das hier ergänzen.
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