Spielen wir mal Handy-Gesetze-Wünsch-dir-was. Wir hätten gerne eine verpflichtende Gratis-Reparatur und Software-Updates für zehn Jahre. Nur noch recyceltes Lithium in den Akkus. Außerdem sollten Akkus einfach zu tauschen sein, wie man das in den alten Zeiten kannte. Einheitliche USB-C-Ladebuchse ... Ach, die gibt es ja schon!
Bei den anderen Punkten müssen wir uns aber mit kleineren Schritten zufriedengeben. Politik ist eben kein Wunschkonzert. Aber sie kann etwas verändern. Und hier in Europa passiert mehr als in fast allen anderen Teilen der Welt.
Hier sind unsere Top 3:
Über folgende Neuerungen könnt ihr euch schon relativ bald freuen.
- Fünf Jahre Updates und sieben Jahre Ersatzteile: Ab dem 20. Juni 2025 muss es für alle neu auf den Markt gebrachten Geräte Softwareupdates für fünf Jahre und für sieben Jahre Ersatzteile geben. Die Aktualisierungen umfassen nicht nur Patches, sondern auch neue Versionen des Betriebssystems.
- Länger Garantie: Ab Juli 2026 bekommt ihr 12 Monate Gewährleistung zusätzlich, wenn ihr ein Handy innerhalb von zwei Jahren über die Gewährleistung reparieren lasst.
- Ende der Teilekopplung: Insbesondere iPhones von Apple haben Teile, die erst freigeschaltet werden müssen. Die EU verbietet das – gültig ab Juli 26 – und ermöglicht so unabhängigen Werkstätten mehr Reparaturen.
Das sind die Gesetze dahinter
Hinter den Maßnahmen stehen drei Vorhaben der Europäischen Union. Sie sind teilweise miteinander verquickt, an anderer Stelle widersprechen sie sich ... Mehr dazu am Ende dieses Artikels.
- Die Richtlinie für das Recht auf Reparatur (engl. directive on common rules to promote the repair of goods) trat am 30. Juli 2024 in Kraft. In den Staaten umgesetzt werden muss sie bis 31. Juli 2026.
- Die Ökodesign-Verordnung für Smartphones und Mobiltelefone trat am 31.8.2023 in Kraft.
- Die EU-Batterie-Verordnung trat am 17. August 2023 in Kraft.
Zu den Details lest ihr in den folgenden Abschnitten mehr.
EU-Verordnungen und Richtlinien ... wie bitte?
Die EU hat verschieden Möglichkeiten für Regeln. Am stärksten ist die Verordnung (engl. regulation). Sie gilt direkt in allen Staaten. Eine Richtlinie (engl. directive) muss von den Staaten jeweils in eigenen Regelungen umgesetzt werden. Dabei haben sie einige Freiheiten.
Allerdings können auch Verordnungen bestimmte Übergangsfristen enthalten. So kommt es, dass zum Beispiel die Batterie-Verordnung zwar schon in Kraft ist, aber bestimmte Dinge darin erst 2027 gelten.
Übrigens sind die Zeitangaben der EU-Regeln oft nah an der Kaffeesatzleserei. Beim Einlesen in die Materie hat man den Eindruck, dass es von jeder Frist eine Ausnahme gibt, Details erst im Zusatz soundso geregelt werden, der später in Kraft tritt und dann noch mal eine Übergangsregelung vorsieht...
Ökodesign-Verordnung 2023/1670
Aufgepasst, es gibt zwei EU-Verordnungen die irgendwas mit Ökodesign im Namen haben. Einmal die Verordnung 2024/1781, die erst 2024 verabschiedet wurde und eher allgemein gehalten ist und eben die Verordnung 2023/1670, die speziell für Smartphones, Handys und Tablets gilt und den Inhalt aus der allgemeinen Richtlinie präzisiert.
Und diese spezielle Handy-Verordnung hat es in sich:
1. Ersatzteile: Ab Sommer 2025 müssen Hersteller sieben Jahre – ab dem letzten gelieferten Gerät (die sogenannte Inverkehrbringung) – Ersatzteile bereitstellen. Das ist extrem lang und sehr relevant, denn viele Reparaturen scheitern schlichtweg daran, dass man nicht an Ersatzteile kommt. Die Preise für die Ersatzteile sollen „angemessen“ sein. Das lässt natürlich Spielraum, aber eine Spitze hat die EU eingebaut: Die Preise für die Ersatzteile sollen öffentlich zugänglich sein, zum Beispiel auf einer Webseite.
2. Reparaturanleitungen: Das zweite große Problem, vor dem Reparaturbetriebe stehen, sind Anleitungen. Klar, wie man die Bestseller von Apple und Co repariert, dass weiß vermutlich jede Werkstätte. Aber wie sieht es mit einem obskuren Outdoor-Modell aus dem Niedrigpreissegment aus? Anleitungen müssen ebenfalls ab Mitte 2025 sieben Jahre ab letzter Lieferung zur Verfügung stehen.
3. Updates: Reparatur-Killer Nummer drei war bislang die Update-Dauer. Klar, wenn die Software eines Handys sowieso veraltet ist, warum dann noch reparieren? Und auch hier räumt die EU ab Sommer 2025 auf. Ab dann müssen Geräte fünf Jahre lang mit Updates versorgt werden. Gerechnet ab dem letzten ausgelieferten Gerät.
4. Akkus: Der Akku darf nur dann fest verbaut sein, wenn das Smartphone so wasserdicht ist, dass es 30 Minuten unter Wasser getaucht werden kann. Das entspricht der IP-Schutzart 67 oder 68. Ansonsten muss der Akku so einfach auszuwechseln sein, dass man es mit normalem Werkzeug zu Hause machen kann. Allzu früh sollte man sich aber nicht darüber freuen, denn schon jetzt haben zahlreiche Handys die hohe Schutzart. Und möglicherweise werden weitere Hersteller sie als Lücke nutzen und ihre Handys extrastark verkleben, um die IP67 zu bekommen. Diese Regelung könnte also nach hinten losgehen...
5. Der Reparierbarkeitsindex muss ab Juni 2025 beim Verkauf zu sehen sein (über die Anpassung einer weiteren Verordnung: Gesetzestext). Er zeigt uns mit Noten, wie man sie auch beim Energieverbrauch kennt, ob ein Handy leicht kaputt geht und wie gut es repariert werden kann.
Wie wasserdicht ist ein Handy? IP-Schutzarten erklärt.
Bei Handys stehen da immer zwei Ziffern. Die erste steht für den Schutz gegen Festkörper – zum Beispiel Staub. Die zweite für den Schutz gegen Wasser. Allerdings: Diese Angaben gelten nur für das fabrikneue Gerät – der Schutz lässt mit der Zeit nach. Das bedeuten die Ziffern für Wasser:
0 kein Schutz
1 Schutz gegen Tropfwasser
2 Schutz gegen fallendes Tropfwasser, wenn das Gehäuse bis zu 15° geneigt ist
3 Schutz gegen fallendes Sprühwasser bis 60° gegen die Senkrechte
4 Schutz gegen allseitiges Spritzwasser
5 Schutz gegen Strahlwasser (Düse) aus beliebigem Winkel
6 Schutz gegen starkes Strahlwasser
7 Schutz gegen zeitweiliges Untertauchen
8 Schutz gegen dauerndes Untertauchen. Soweit keine andere Angabe erfolgt, besteht ein Schutz bis 1 Meter Wassertiefe.
Recht auf Reparatur 2024/1799
Auch durch dieses Gesetz gibt es Verbesserungen. Wobei wir die Formulierung „Recht auf Reparatur“ ja etwas irreführend finden. Denn Reparieren war nie verboten. Gemeint ist das Recht von Käufer*innen, eine Reparatur zu verlangen, anstatt einfach ein Ersatzgerät zu bekommen – inklusive der Garantieverlängerung von oben.
- Bann von Teilekopplung: Stellt euch vor, ihr baut ein neues Display in euer Handy ein, aber dann funktionieren die Farbeinstellungen nicht mehr. Das ist die sogenannte Teilekopplung, englisch parts pairing, wie sie insbesondere bei Apple-Handys für reichlich Ärger sorgte. In den USA gibt es bereits mehrere Bundesstaaten, die das verbieten. Auch die EU zieht nach: Genau genommen in Artikel 5 (6).
- Reparieren statt Austauschen: Gesetzlich gilt ja bereits, dass zwei Jahre lang repariert oder ersetzt werden muss, wenn das Handy kaputt geht. Ab Sommer 2026 verlängert sich diese Zeit um ein weiteres Jahr, wenn in den zwei Jahren etwas repariert wurde. Solange es Gewährleistung gibt, müssen die Händler das Gerät auf Kundenwunsch hin reparieren – anstatt einfach ein Ersatzgerät zu schicken. Sie müssen auch darüber informieren, dass es diese Option gibt und dass sie die Gewährleistung verlängert. (Artikel 16)
- Werkstatt-Finder: Ab 2027 soll es eine europaweite Online-Plattform geben, auf der Verbraucher*innen Reparaturanbieter finden können.
Warum ist das alles so kompliziert?
Mit Wunschkonzert ist das so eine Sache: Es klappt am einfachsten, wenn man alleine ist. Je mehr Leute mitspielen, desto schwerer kann man sich auf das Programm einigen.
In der EU-Politik gibt es aber sehr viele verschiedene Interessen. Nehmen wir die Batteriefrage als Beispiel. Denn aktuell wird noch gestritten, welche Geräte die Batterieverordnung der EU umfassen wird. Die sieht eigentlich vor, dass Akkus wechselbar sein müssen Wow! Im Gesetz steht aber auch, dass Ausnahmen für wasserdichte Geräte gelten (Absatz 11: „abwaschbare oder abspülbare Geräte, die speziell für den Betrieb in einer Umgebung ausgelegt sind, in der regelmäßig Spritzwasser-, Strahlwasser- oder Unter-Wasser-Bedingungen herrschen“).
Aber was ist damit konkret gemeint? Das Joint Research Center der EU hat vorgeschlagen, dass nur Geräte wie Zahnbürsten oder Rasierer, also die aus dem Badezimmer, eingeschlossen sein sollen. Umwelt-NGOs hatten auf diese Position gepocht. Damit wären Handys außen vor und müssten alle Wechselakkus haben.
Auf der anderen Seite sind gerade teure Handys oft wassergeschützt. Die Hersteller von Smartphones führen das als Argument an, um zumindest besonders dichte Handys auch von der Wechselakku-Pflicht zu befreien.
Und es wird noch vertrackter: Selbst wenn die EU dieser Argumentation nicht folgt, wird wohl eine andere Ausnahme wirksam sein. Und die kommt ausgerechnet aus unserer geschätzten Ökodesign-Verordnung.
Die sagt, dass Akkus, die 1000 Ladezyklen lang halten und in wasserdichten Geräten eingebaut sind aus dem Schneider sind. Weil diese Regel detaillierter ist, „schlägt“ sie die aus der Batterieverordnung – wegen des sogenannten „Lex Speziale-Prinzips“.
In NGOs wächst deshalb die Sorge: „Grundsätzlich befürchten wir weitere Ausnahmen auch über Smartphones und Tablets hinaus und eine rechtliche Grauzone, die zur Unterwanderung der sehr guten Vorgabe zur Austauschbarkeit von Batterien in der Batterieverordnung führen könnte“, schrieb uns die Deutsche Umwelthilfe.