Ratgeber

Sind Schlaf-Tracker Unsinn?

Ein Artikel von , veröffentlicht am 20.10.2017
Foto: DAK

Rund 80 Prozent der Erwerbstätigen leiden unter Schlafstörungen. Zugleich erfreuen sich sogenannte Schlaf-Tracker großer Beliebtheit. Was messen diese Apps und können sie bei Schlafproblemen wirklich helfen?

Warum wir jede Nacht schlafen müssen, ist der Hirnforschung noch immer ein Rätsel. Klar dagegen ist, dass zu wenig oder schlechter Schlaf die Leistungsfähigkeit drastisch senkt und auf Dauer die Gesundheit gefährdet. Von Erinnerungsproblemen über Bluthochdruck bis zur Arbeitsunfähigkeit ist bei den Auswirkungen einer schlechten Nachtruhe alles zu finden.

Laut einer repräsentativen Studie der Krankenkasse DAK aus dem Jahr 2016 leiden in Deutschland satte 80 Prozent der Erwerbstätigen unter schlechtem oder zu wenig Schlaf – ein großer Markt für Heilsversprechen. In den drängen seit wenigen Jahren auch Schlaftracker-Apps. Während einige davon nur die Schlafzeit protokollieren, versprechen andere eine tiefgehende Analyse der Schlafqualität. Halten sie, was sie versprechen?

Zu den einfachsten Varianten zählt etwa die Funktion Schlafenszeit, die auf iOS in die Uhr-App integriert ist. Stellt man sich hier eine Einschlafzeit ein, erinnert das iPhone oder iPad einen daran, ins Bett zu gehen und weckt zur gewünschten Zeit. Die Daten werden automatisch an Apples Health-App übertragen.

 Was Apples Health-App ist und was sie kann, erklären wir in unserem Text Apple Health und Google Fit - Gesundheit und Fitness mit Apple und Google.

Eine Schlaferinnerung kann helfen

Mit diesen Daten erstellt iOS ein Profil der gewünschten Schlafmenge. Und diese Information kann hilfreich sein.

„Die richtige Menge Schlaf ist entscheidend”, sagt Professor Ingo Fietze, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Charité Berlin. „Gesund sind im Schnitt sieben Stunden pro Nacht oder rund 50 Stunden in der Woche. Dauerhaft unter sechs Stunden zu schlafen, ist ungesund.” Natürlich komme es dabei vor allem auf die „Schlafeffizienz” an, also dass man auch wirklich schläft und nicht einfach nur wach im Bett liegt.

Die Funktion Schlafenszeit hilft zwar nicht beim Einschlafen. Aber eine Erinnerung an die Bettzeit kann dabei helfen, zügig wegzuschlummern. „Am besten ist es, man legt sich zwischen 22 und 24 Uhr ins Bett”, sagt Fietze. „In dieser Phase sinkt die Körpertemperatur und der Hormonhaushalt ist günstig, um einzuschlafen.” Eine Schlaferinnerung ergebe durchaus Sinn.

Schlafbewegung per App nicht messbar

Neben der Schlafmenge hängt die Qualität der Nachtruhe aber auch von den richtigen Schlafstadien ab. Die Schlafmedizin unterscheidet grob gesprochen zwei Stadien: den Traumschlaf und den Tiefschlaf. Beim gesunden Nachtschlaf wechseln sich diese Stadien vier bis sieben Mal pro Nacht ab.

Wie viel wir uns nachts bewegen, hängt vom Schlafstadium ab: im Traumschlaf ist der Körper völlig schlaff, damit wir unsere Träume nicht ausagieren, also die geträumten Bewegungen tatsächlich machen. Im Tiefschlaf dagegen wälzen wir uns auch mal hin und her. Apps wie Sleep Better von der Firma Runtastic oder Sleep Cycle Alarm Clock (iOS und Android) messen die Bewegungen mit dem Beschleunigungsmesser des Smartphones. Dazu soll man das Gerät neben den Kopf legen. Aus diesen Daten versprechen die Apps nicht nur die genaue Schlafmenge abzuleiten, sondern auch die Schlafphasen und damit ein Indiz auf die Schlafqualität.

„Das ist Hokuspokus”, sagt Professor Fietze. „Der Bewegungssensor des Handys reicht für so eine Messung nicht aus.” Für eine zuverlässige Bestimmung der Schlafstadien brauche man gleich drei Messwerte: eine Hirnstrommessung und eine Messung der Bewegungen der Augen- und Kiefermuskulatur. Zwar kann man mit einem einfachen Bewegungssensor feststellen, dass sich der Schläfer bewegt. Aber ob er dann im Tiefschlaf ist oder sich wach im Bett wälzt, kann man daraus nicht ablesen. Ebenso kann es sein, dass man sich im Tiefschlaf mal nicht bewegt - dann würde die App eine Traumphase registrieren.

Optimale Schlafumstände sind individuell

Sleep Better und Sleep Cycle Alarm Clock werben auch mit der Berechnung einer angeblich optimalen Aufwachzeit. Die Apps vermeiden nach Aussage der Hersteller den Tiefschlaf und wecken den Nutzer unter Umständen lange vor der gewünschten Weckzeit. Auch hier winkt Professor Fietze ab. „In einer Zeit, in der Schlaf Mangelware ist, soll man sich auch noch früher wecken lassen? Das ist Unsinn.” Zwar sei es tatsächlich schwieriger, in Gang zu kommen, wenn man aus dem Tiefschlaf geweckt werde. Aber in den frühen Morgenstunden lägen die Tiefschlafstadien ohnehin zu 95 Prozent hinter einem. Man sollte also lieber allen Schlaf nutzen, den man kriegen kann.

Und was kann man dafür nicht alles mit Apps optimieren! Vom Feng Shui Sleeping Compass (Android) für die richtige Ausrichtung des Körpers über Sleep Bot (iOS & Android) und Pillow (iOS), die neben den vorgenannten Funktionen auch noch die Geräuschkulisse im Schlafzimmer analysieren, bis hin zu Blaulicht-Filtern wie Nightshift (iOS, integriert) oder Twilight (Android), die vor dem Einschlafen blaue Farbtöne auf dem Smartphone oder Tablet dimmen, auf dass man besser einschlafe.

„Das Problem bei all diesen Interventionen ist, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis für Ihren Nutzen gibt”, sagt Professor Fietze. „Jeder Schläfer ist anders und hat seine eigenen optimalen Umstände, um ein- und durchzuschlafen.” Es gehe darum, diese persönlichen optimalen Umstände zu finden. „Wenn das bedeutet, dass der Fernseher läuft oder man ein Hörbuch hört, dann ist das kein Problem”, sagt Fietze.

Schnarch-Tracker erkennen Probleme mit der Atmung

Bei einer Art von Funktion aber macht der Schlafexperte ein Zugeständnis: bei Schnarch-Trackern. Apps wie SnoreReport (iOS) und SnoreLab (iOS & Android) registrieren das Schnarchen und erstellen ein Profil des nächtlichen Sägens. „Schnarchen an sich ist kein Problem”, sagt Fietze. Schädlich seien die damit manchmal einhergehenden Atemaussetzer. „So eine App kann dabei helfen, die Aussetzer zu entdecken”, sagt Fietze. Ein Scharch-Tracker kann also den nötigen „Schubs” geben, um den Weg ins Schlaflabor zu finden.

Allerdings ist gerade bei Apps, die nächtliche Geräusche aus dem Schlafzimmer aufzeichnen, eine gewisse Vorsicht angebracht. Denn sie erfassen mitunter intime Informationen. Da schadet es nicht, vorher ein paar Punkte zu klären. Zum Beispiel: Bleiben diese Informationen auf dem Gerät, oder werden sie über das Internet verschickt? Welche Drittanbieter erhalten Daten aus der App? Bleiben die erfassten Daten anonym, oder erfasst die App auch Namen oder andere Identifikationsmerkmale?

Im Fazit: Auf den richtigen Zeitpunkt des Einschlafens und die ausreichende Schlafmenge kommt es an. Diese kann man grob von einer App aufzeichnen lassen. Die Schlafqualität dagegen kann mit einem Smartphone nicht bestimmen. Entscheidend ist, die eigenen optimalen Schlafbedingungen zu finden. Gegen ein Handy oder Tablet im Bett spricht dabei aus schlafmedizinischer Sicht nichts. Wer Sorge bezüglich der Handystrahlung hat, kann auf der Reise ins Traumland ja den Flugmodus anschalten.

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