Hintergrund

Green Computing: Wie bessere Programme das Klima schützen

Ein Artikel von , veröffentlicht am 27.06.2024
Foto: Hitesh Choudhary

Green Coding, Eco-Computing, Perma-Chips… Programmierer*innen wollen ihren Beitrag zur Ökowende leisten.

Habt ihr schon mal von Permakultur gehört? Eine nachhaltige Art, Pflanzen anzubauen, ohne die Ansätze der industrialisierten Landwirtschaft. Eine Gruppe Engagierter hat sich der Idee des Perma-Computing verschrieben. Mit dem Ziel, dass auch der Betrieb von Rechnern möglichst nah an natürlichen Prozessen orientiert ist. Einer der zentralen Punkte dabei: Chips länger nutzen, denn:

„Die Herstellung von Mikrochips erfordert große Mengen an Energie, hoch entwickelte Technik und giftige Substanzen. Wegen dieses Opfers sollten die daraus resultierenden Mikrochips wie Juwelen oder seltene exotische Gewürze geschätzt werden“, heißt es bei der Gruppe.

Klingt gut! Leider ist die Industrie weit davon entfernt.

Die Chipherstellung ist am schlimmsten

Wir haben uns anhand des Beispiels Smartphone schon mal angeschaut, wo so ein Gerät am meisten Klimaschaden anrichtet. Die Antwort ist eindeutig: In der Produktion; nicht durch die Nutzung, den Versand oder die Altgeräte-Verwertung.

Die Grundregel muss also sein: Wenn ein Chip der Umwelt durch seine Produktion enorm schadet, dann sollte er in einer maximal langen Nutzungsdauer auch viele Anwendungen ermöglichen, die das Klima schonen. Denkt mal an das Beispiel Streaming. Immer wieder findet man den Vorwurf, dass jeder Musikabruf Strom verbraucht und damit Emissionen erzeugt. Aber was wäre, wenn ihr euch stattdessen eine CD kaufen würdet? Was klimafreundlicher ist, hängt davon ab, wie oft ihr die CD hört.

Die Chipherstellung macht einen enormen Anteil am Klima-Impact von Computern und insbesondere von Handys aus. Mehr als die Gerätenutzung, wie Harvard-Forschung zeigt. TSMC aus Taiwan, einer der größten Chiphersteller der Welt, verbraucht über sieben Prozent der Energie des ganzen Landes - mehr als die Hauptstadt Taipeh.

Wie kann Software die Umwelt schützen?

Computer – von Servern bis hin zu Smartphones – verbrauchen Energie und erzeugen damit Klimaemissionen.

Der Anteil der Telekommunikationsbranche an den weltweiten Emissionen wird auf etwa 2 Prozent geschätzt (Quelle). Und da ist die Chipproduktion noch nicht inbegriffen. Das ist in etwa so viel, wie die zivile Luftfahrt verursacht.

Die meisten Ideen des Green Coding versuchen, diesen Energieverbrauch zu verringern, also die Effizienz zu steigern. In der Welt der „großen Computer“ sind das beispielsweise:

  • Grüner Strom: Computer werden immer Energie verbrauchen. Aber diese sollte nicht das Klima schädigen.
  • Performance Engineering: Dabei werden zum Beispiel unnötige Hintergrundprozesse vermieden.
  • Time Shifting: Was viel Strom verbraucht, wird auf einen Zeitpunkt gelegt, an dem es viel grüne Energie gibt – zum Beispiel, weil die Sonne scheint.

Was ihr auf eurem Handy konkret tun könnt

Aber wie sieht es auf dem Handy aus? Unser wichtigster Tipp ist und bleibt: Nutzt es, solange wie möglich. Denn die größten Umweltschäden entstehen bei der Produktion. Hersteller halten zum Glück ihre Handys immer länger aktuell, da solltet ihr also mehr rausholen, als die aktuell üblichen zwei bis drei Jahre Nutzungsdauer. Wie das konkret geht, erklären wir euch Schritt für Schritt im HandyHelfer.

Auch auf Software-Ebene könnt ihr etwas tun:

  • Mobile Daten minimieren. Im WLAN verbraucht ihr viel weniger Strom.
  • Ladet euch Musik oder Karten herunter, sodass sie unterwegs offline verfügbar sind.
  • Bigger picture: Wo kauft ihr mit dem Handy ein? Welche Online-Dienste nutzt ihr?
  • Werbung und Tracking sind nervig und sie verbrauchen zusätzliche Energie für die Übertragung unnötiger Datenmengen. Trackingfreie oder -arme Apps sind deshalb besser. Die findet ihr mit unserem AppCheck. Oft lohnt es sich auch, ein wenig Geld auszugeben. Ihr bekommt ein besseres Programm, das eure Daten und die Umwelt weniger ausbeutet.
  • Ihr könnt auch einen zentralen Ad-Blocker auf eurem Handy installieren. Relativ einfach geht es mit dieser Anleitung des Sicherheitsexperten Mike Kuketz. Oder ihr installiert die kostenlose App Adaway für Android aus dem freien App-Laden F-Droid. Die Alternative fürs iPhone kostet 9,99 Euro und heißt AdGuard Pro.

Warum Tracking und Werbung der Umwelt schaden

Apps haben einen versteckten Klima-Impact. Denn die meiste Energie wird nicht auf dem Gerät durch euren Akku verbraucht. So eine App verursacht noch an zwei weiteren Stellen Emissionen durch Energieverbrauch. Wir können uns das mal am Beispiel von einer Stunde HD-Videostream anschauen.

  • In den Übertragungsnetzen, Antennen etc.: 18 Wattstunden (bei einer Übertragung über das 4G-Netz)
  • In den Datenzentren, wo App-Funktionen laufen oder Inhalte abgerufen werden: 2,3 Wattstunden

Demgegenüber sind etwa 10 Wattstunden nötig, um ein Handy komplett aufzuladen. Mit dem Tipp von oben, könnt ihr der Sache auf eurem Handy einen Riegel vorschieben.

Allerdings läuft das Tracking natürlich auf unzähligen Geräten weiter. Wir finde es wichtig, sichtbar zu machen, wie viel eine App trackt. Denn diese Datensucht schadet ganz konkret der Umwelt.

Das Problem mit dem individuellen Beitrag

Man könnte ja erstmal denken, dass die Einsparungen im Bereich Software generell klein sind. Wenn man sie mit einem Flug oder anderen typischen Klimasünden vergleicht, ist das entmutigend.

Allerdings sind viele Software-Funktionen keine individuelle Entscheidung. Software-Entwickler können mit einer kleinen Anpassung auf sehr vielen Geräten Strom und Emissionen sparen. Arne Tarara von der Beratungsfima Green Coding hat zum Beispiel ausgerechnet, dass Zoom sinnlos ähnlich viele Emissionen verbraucht wie 14 Flüge von Berlin nach New York. Und das nur, weil das Programm immer automatisch heruntergeladen wird – auch wenn man aus dem Browser teilnehmen möchte.

Die Anbieter von Software können mit kleinen Änderungen sehr große Veränderungen hervorbringen, weil ihre Programme auf Millionen von Geräte weltweit installiert sind. Nur Mut!

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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