Hintergrund

Falthandys sind „Nicht-lange-halt-Handys“

Ein Artikel von , veröffentlicht am 07.05.2024
Foto: Kenny Eliason

Sie sind die größte Veränderung der Smartphone-Form in den letzten Jahren. Aber in Sachen Haltbarkeit keine sinnvolle.

Wenn man sich die Netflix-Serie „Breaking Bad“ anschaut, dann haben Klapphandys der alten Machart einen entscheidenden Vorteil: Man kann sie einfach in der Mitte durchbrechen, wenn man damit etwas Zwielichtiges angestellt hat.

Mit den klassischen Smartphones, wie sie mit dem iPhone aufkamen, wurde das physische Zerstören schwieriger. So ein kompakter Klotz ohne bewegliche Teile – da braucht es schon Werkzeug, um ihn zu zerbrechen. Was wir ohnehin niemals empfehlen würden – Feuerrisiko durch den Akku!

Nach einigen eher nischigen Designs schafften es die Falthandys der neuen Generation mit dem Samsung Galaxy Fold 2019 auf den Massenmarkt.

Falt-, statt Klapphandys zu sagen, macht nicht nur aus Gründen der Abgrenzung Sinn. Es ist auch präziser, denn heute gibt es ja durchgehende Displays, die wirklich gefaltet sind.

Schon beim Galaxy Fold wies der Ersatzeile-Händler und Reparatur-Fachdienst iFixit auf Probleme hin: An der Faltkante des Displays gab es Lücken, durch die Staub ins Gehäuse gelangen konnte. Der Beitrag wurde von iFixit inzwischen entfernt, denn ein Partner hatte interveniert – mehr zu den seltsamen Vorgängen lest ihr hier im US-Magazin The Verge. Man kann nun aber eine leicht bearbeitete Fassung auf Basis des Modells aus dem Einzelhandel wieder bei iFixit lesen.

Seitdem hatten die Hersteller Zeit, nachzubessern. Aber das hat Grenzen: Bewegliche Teile sind grundsätzlich anfälliger für Schäden und Schmutz. Die klassische „Schokotafel-Form“ der meisten Smartphones ist deshalb aus Gründen der Langlebigkeit zu empfehlen und damit auch für die Umwelt besser.

Wie oft kann man falten?

Dass sich so ein Handydisplay überhaupt falten lässt wie eine Plastikfolie ist ja schon erstaunlich. Die Frage ist: Wie oft geht das, bis man Pixelfehler oder andere Schäden an der Faltstelle bekommt? Der YouTuber Mrkeybrd hat zwei neuere Modelle einem Extremtest ausgesetzt. Das Samsung Galaxy Z Flip 5 bekam dabei erst nach 400.000 Faltungen Probleme am Display. Man kann also von etwa zehn Jahren ausgehen, die das Handy mitmachen würde.

Zehn Jahre, das geht weit über die Nutzungsdauer hinaus, die viele Handys sonst erleben. Das Vergleichsgerät von Motorola, Razr 40 Ultra, kam allerdings nur auf gut 120.000 Faltungen, bevor es Probleme gab. Wenn man von 100-mal Falten am Tag ausgeht, hielte das Handy also um die dreieinhalb Jahre durch. Das ist schon weniger beeindruckend.

Wenn man das Display eines Nicht-Falt-Handys gut mit einer Folie schützt, sollte es locker länger halten.

Dann gibt es noch den Fall, dass man das Gelenk in die falsche Richtung überdehnt. Das ist freilich nicht vorgesehen. Aber dass man Gelenke anders bewegen kann als es sinnvoll ist, das haben die meisten Sportler*innen schon mal schmerzhaft erleben müssen. Ein weiterer Youtuber zeigt, dass das Google Pixel Fold damit gar nicht klarkommt, noch schlechter als Konkurrenzmodelle.

Bei einem Gerät für beinahe 2.000 Euro Neupreis ist das schon ärgerlich. Von iFixit gibt es nur maue 3 von 10 Punkten für die Reparierbarkeit, denn: „Für alle Reparaturen muss man das äußere Display und/oder die Rückabdeckung vorsichtig ablösen und dafür den Klebstoff durchtrennen“. Uff! Das macht Reparaturen schwieriger als sie ohnehin schon sind.

Was das Falten ermöglicht und ein erstaunlicher Vorteil

Ein Journalist des Magazins The Verge machte sich ein bisschen über Samsung lustig, als die das Galaxy Z Flip mit dem Slogan „tough, yet tender“ bewarben. Es klinge wie ein Groschenroman-Titel, wenn man ein Display als, „hart und doch zart“ bezeichne.

Der Hintergrund war damals, dass Samsung bei diesem Gerät statt Plastik ein ultradünnes und elastisches Glas einsetzte, um das Display zu schützen. Handy-Displays haben nämlich eine oberste Schicht, die bei der Tafel-Form heute üblicherweise extrahartes Glas ist. Bei Falthandys wird stattdessen Plastik oder eben das dünne Spezialglas eingesetzt. Das Plastik ist dabei anfälliger für Abnutzungserscheinungen.

Durch elastisches Glas oder Plastik kann man das Handy falten. Und es hat noch den erstaunlichen Vorteil, dass es nicht so leicht bricht, wenn es hinfällt. Genauso wie bei Plastikbechern und Gläsern. Die einen sind zwar weicher, sie brechen aber nicht beim Runterfallen. Das ist also ein kleiner Vorteil gegenüber der Tafel-Form: Stöße sollten die weicheren Displays besser verkraften. Trotzdem raten wir nicht zum Falthandy. Mit Folie und Hülle kann man die klassischen Handys auch vor dem Hinfallen schützen. Falthandys gegen Staub abzuschirmen, dafür gibt es aber keine Lösung.

Und bei Apple?

Bis heute gibt es kein faltbares iPhone. Dass Apple einige Patente dafür angemeldet hat, lässt manche Insider*innen vermuten, dass es noch kommen könnte. Aber wohl kaum mit der neuesten Generation 16. Eines dieser Patente befasste sich mit der Faltkante und ließ sie im Inneren eine Art größeren Bogen bilden. Das strapaziert das Material weniger. Und ist in ähnlicher Form auch der Ansatz für die 400.000 Faltungen beim Samsung Z Flip 5.

Wer also ein Handy sucht, das man wie bei Breaking Bad mit einem Handgriff crashen kann, hat mit Falthandys eine gute, wenn auch teure, Alternative zur Tafel-Form. Aber für alle Umweltfreund*innen können wir selbst die verbesserten, neuen Modell nicht empfehlen.

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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