Hintergrund

Drei Mysterien: Warum die Preise für Reparaturen so seltsam sind

Ein Artikel von , veröffentlicht am 30.04.2024
Foto: Library of Congress

Reparieren ist bei Handys oft die beste Umweltschutzmaßnahme. Aber die Preise für Ersatzteile sind sehr hoch. Warum ist das so?

Je länger das Handy genutzt wird, desto besser für den Planeten. Aber der Akku gibt irgendwann den Geist auf – er nutzt sich ab. Und das Display ist schnell gebrochen, wenn man nicht aufpasst.

Über längere Nutzung zu reden, heißt also fast immer, auch über Reparaturen zu reden. Dabei stehen die hohen Kosten leider oft im Weg – 73 Prozent der Befragten nannten das in einer Umfrage von Bitkom als Grund, nicht reparieren zu lassen.

Wir wollten wissen, warum die Preise so hoch sind. Und sind dabei auf drei Mysterien gestoßen.

Das Mysterium der „günstigen“ Apple-Reparatur

Das Team des Reparaturanbieters service4handys.de hat ausgewertet, wie unterschiedlich die Preise verschiedener Reparaturen sind.

Schauen wir uns die Bildschirme an. Die gehen neben den Akkus am häufigsten kaputt. Wenn man sich die Durchschnittspreise für Display-Reparatur der Spitzengeräte der letzten vier Jahre im Vergleich ansieht, ergibt sich ein überraschendes Bild: Apple-Geräte liegen beim Preis unter denjenigen von Samsung und Google.

  1. Samsung Galaxy: Durchschnittlich 364 €
  2. Google Pixel: Durchschnittlich 340 €
  3. iPhone: Durchschnittlich 301 €
  4. Huawei: Durchschnittlich 267 €

 

Dabei fällt auf, dass das iPhone 14 Pro Max den höchsten Preis hat (das iPhone 15 wurde noch nicht untersucht). Für das Modell 11 Pro Max muss man dafür nur 129 Euro einkalkulieren. Ein enormer Preisverfall. Den gibt es bei anderen Herstellern nicht in demselben Ausmaß.

Woran das liegen könnte? „Mit der Zeit treten immer mehr unabhängige Reparaturdienste in den Markt ein. Dies führt zu einem erhöhten Wettbewerb und potenziell niedrigeren Preisen“, sagt Florian Beqiri von service4handys.de.

Solche unabhängigen Dienste sind bei Apple-Geräten häufiger zu finden. Denn die Marke gilt als diejenige mit den besten Wiederverkaufspreisen. Außerdem hat sie viel weniger Modelle im Angebot als Samsung oder Huawei, was es für Werkstattbetriebe einfacher macht, sich das nötige Know-How anzueignen oder Teile vorzuhalten.

Das Mysterium der Preiskurve ~

Eigentlich würde man erwarten, dass die Reparatur bei neuen Geräten am teuersten ist. Das stimmt nicht ganz, denn direkt bei Markteintritt gibt es noch nicht so viele Schäden. Erst wenn nach einiger Zeit mehr Geräte verkauft sind, nehmen auch die Schadensfälle zu und entsprechend die Nachfrage nach Ersatzteilen.

Dabei muss man sich klarmachen, dass in den ersten Jahren die Gewährleistung der Anbieter gilt. Die Anbieter müssen in dieser Zeit kaputte Geräte reparieren oder austauschen. Sie achten also darauf, dass sie genug Ersatzteile haben und verkaufen sie entweder gar nicht oder nur teuer an unabhängige kleinere Werkstätten oder Menschen wie uns.

Entsprechend steigen die Preise für Ersatzteile allmählich, je höher die Nachfrage wird. Das führt dazu, dass Teile für nicht mehr ganz neue Geräte oft teurer sind als die für brandneue. Zum Beispiel ist laut der Untersuchung die Erneuerung der Rückseite des Google Pixel 6 Pro teurer als die des Nachfolgemodells.

Dieser Trend kehrt sich um, wenn die Gewährleistungsfrist abläuft und die Hersteller die Teile nicht mehr so dringend brauchen. „Mit der Zeit nimmt die Nachfrage ab, während die Verfügbarkeit von Ersatzteilen steigt, was zu einer Preissenkung führen kann“, sagt Florian Beqiri.

Am niedrigsten sind die Preise für mittelneue Geräte, die um die drei bis fünf Jahre alt sind. Hier kommen auch Ersatzteile aus Geräten auf den Markt, die nicht mehr repariert werden können.

Etwa fünf Jahre nach Markteintritt kann der Preis nochmal leicht steigen oder sinkt zumindest nicht weiter. Zu diesem Zeitpunkt kommen die Lagerkosten ins Spiel. Wer so lange Ersatzteile für ein Gerät lagert, muss die Kosten dafür wieder reinholen und verkauft entsprechend teurer. Die Kosten werden dabei sozusagen auf die Ersatzeile umgeschlagen.

Die Preiskurve ähnelt also einer Tilde: ~. Zuerst geht es nach oben, dann runter und dann teilweise noch mal kurz hoch.

Das Mysterium der zwei Quellen

Ihr merkt schon: Man findet bei dieser Frage ein interessantes Zusammenspiel von Ursprüngen der Ersatzeile. Erstmal werden die von den Herstellern in großer Menge bestellt, wenn die Geräteserie in die Produktion geht. Bei so einem Großauftrag kann man gute Mengenrabatte erzielen.

Wenn noch mal nachgefertigt werden müsste, wäre der Auftrag viel kleiner, und der Preis pro Stück wahrscheinlich höher. Zum Glück gibt es deshalb den Markt mit den Teilen aus alten Geräten. Denn wenn bei einem Handy das Mikro und das Display kaputt sind, kann man viele andere Teile trotzdem noch mal verwenden. Diese zweite Quelle sprudelt umso stärker, je mehr Geräte eines Modells im Umlauf sind. Und sie kann dazu beitragen, dass Reparaturen auch lange nach Ende der Gewährleistungspflicht möglich sind.

Allerdings nur, wenn es einen Anreiz gibt, irreparable Geräte auszuschlachten, anstatt sie einfach in den Recyclingschredder zu werfen.

 

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Jonas Bickelmann

Leitet die Redaktion von mobilsicher. Er studierte Philosophie, machte ein Volontariat bei einer Berliner Tageszeitung und schreibt nicht nur gerne über grünere Smartphones, sondern als freier Autor auch über Reisen und Kultur.

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