News vom 05.06.2019

#StopSpyingOnUs: Datenschützer starten Kampagne gegen Online-Werbung

Ein Artikel von , veröffentlicht am 05.06.2019

Vier Organisationen haben bei den 16 Datenschutzbehörden der Länder eine Beschwerde gegen personalisierte Online-Werbung eingereicht. Das derzeitige System, das auf Echtzeit-Auktionen von Werbeplätzen setzt, sei intransparent und verstoße gegen die Datenschutz-Grundverordnung.

Wer im Internet surft, wird dabei beobachtet. Entsprechend der eigenen Gewohnheiten und Vorlieben wird im Browser passende Werbung angezeigt. Dabei hat sich ein System durchgesetzt, das Werbeplätze innerhalb von Sekundenbruchteilen an Werbetreibende vergibt, während die Seite bei den Nutzer*innen lädt.

Diese Echtzeit-Auktionen ("Real Time Bidding") stehen im Mittelpunkt der Aktion "Stop spying on us" (dt. Hört auf, uns auszuspionieren), an der Menschenrechts- und Digitalrechtsorganisationen aus neun EU-Ländern teilnehmen. In Deutschland haben im Rahmen der Aktion vier Organisationen eine Beschwerde bei den Datenschutzbehörden der 16 Bundesländer eingereicht.

Die Vereine Digitale Gesellschaft e.V., digitalcourage e.V. und Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. sowie das Netzwerk Datenschutzexpertise fordern eine Überarbeitung des Systems, das sie als intransparent und nicht vereinbar mit der Datenschutz-Grundverordnung kritisieren.

Die Kampagne wird von der Organisation Liberties (Civil Liberties Union for Europe) koordiniert. Auch Bürger*innen können bei der Kampagne mitmachen und zusätzlich Beschwerde einreichen.

Was ist Real Time Bidding?

Die Vergabe von Werbeplätzen in Echtzeit (Real Time Bidding) setzt auf einen möglichst passgenauen Zuschnitt von Anzeigen auf diejenigen, die sie sehen - im richtigen Moment und im passenden Kontext. Alter, Geschlecht, Interessen und weitere Informationen aus zuvor gebildeten Profilen werden dabei an Unternehmen übermittelt, die die Werbung schalten.

Eva Simon, Rechtsexpertin von Liberties, erklärt:

Jedes Mal, wenn eine Person eine Website besucht und ihr eine ‚verhaltensorientierte’ Anzeige angezeigt wird, werden ihre persönlichen Daten, wie Browserverlauf oder Standort, aber auch sexuelle Orientierung oder sogar eindeutige ID-Codes, in Echtzeit an Tausende von Unternehmen weitergereicht. Digitale Werbeunternehmen können diese Daten durch eine ‚Gebotsanfrage’ (bid request) übertragen, um den Werbeplatz auf der von Ihnen besuchten Website zu verkaufen. Diese Werbemethode verstößt eindeutig gegen die EU-Datenschutzverordnung (GDPR).

Wer einen Werbeblocker nutzt, schränkt die Profilbildung damit zwar ein, komplett sicher vor personalisierter Werbung ist man damit aber meistens trotzdem nicht.

Wie Echtzeit-Auktionen (Real Time Bidding) ablaufen, erklärt dieses YouTube-Video.

Die Datenschützer hinter #StopSpyingOnUs kritisieren auch das Fehlen eines Kontrollsystems: Es sei momentan nicht nachvollziehbar, welche Daten welches Unternehmen über Nutzer*innen erhalten. Auskünfte und Widersprüche sind im aktuellen System nicht möglich.

Mit welchen Methoden Nutzer*innen im Netz beobachtet werden und wie sie sich dagegen schützen können, erklären wir im Beitrag Tracking im Internet: Cookies, Cache & Co.

Die Autorin

E-Mail

i.poeting@mobilsicher.de

PGP-Key

0x98926A6965C84F21

Fingerprint

7F5D B2F7 C59F 0547 D730 7DD7 9892 6A69 65C8 4F21

Inga Pöting

Seit 2022 baut sie für den ITUJ e.V. ein Team gegen digitale Gewalt auf. Mehr Infos dazu unter: www.ein-team.org. Davor leitete sie die Redaktion bei mobilsicher.de, recherchierte und schrieb Texte, gab Beiträgen von anderen den letzten Schliff und betreute den YouTube-Kanal.

Weitere Artikel

Ratgeber 

Wie viel Google steckt in Android?

Das Betriebssystem Android und der Google-Konzern gehören zusammen. Google beschreibt Android jedoch als „freie“ Software, bei der jeder den Programmcode nutzen und verändern darf. Wem also gehört Android? Und wer bestimmt, was im Code steht?

Mehr
Ratgeber 

Contact-Tracing international: Corona-Apps im Vergleich

Tracing-Apps sollen dabei helfen, Kontakte zu Corona-Infizierten nachvollziehen zu können. In vielen Ländern sind sie schon im Einsatz, wobei unterschiedlichste technische Ansätze verfolgt werden. Wir stellen einige Apps vor und schätzen ihre Wirksamkeit und ihr Datenschutzrisiko ein.

Mehr
Ratgeber 

„Nicht in jeder Beziehung sind die Handys durch Sperr-Codes geschützt“

Wenn Frauen in ihren Beziehungen Gewalt erleben, spielt häufig das Smartphone eine Rolle: Nachrichten werden kontrolliert, der Standort überwacht. Wann es Zeit ist, Grenzen zu setzen und wohin Betroffene sich wenden können, erklärt Diplom-Psychologin Stefanie Pfingst im Interview.

Mehr
Ratgeber 

Fruchtbarkeits-App MyNFP: Empfehlenswert

Die Zyklus-App MyNFP misst die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage der Nutzerinnen nach der wissenschaftlich validierten NFP-Methode. Die App ist nach 30 Tagen kostenpflichtig und überträgt keinerlei Nutzerdaten. Unser Fazit: Empfehlenswert!

Mehr