Wer im Internet surft, wird dabei beobachtet. Entsprechend der eigenen Gewohnheiten und Vorlieben wird im Browser passende Werbung angezeigt. Dabei hat sich ein System durchgesetzt, das Werbeplätze innerhalb von Sekundenbruchteilen an Werbetreibende vergibt, während die Seite bei den Nutzer*innen lädt.
Diese Echtzeit-Auktionen ("Real Time Bidding") stehen im Mittelpunkt der Aktion "Stop spying on us" (dt. Hört auf, uns auszuspionieren), an der Menschenrechts- und Digitalrechtsorganisationen aus neun EU-Ländern teilnehmen. In Deutschland haben im Rahmen der Aktion vier Organisationen eine Beschwerde bei den Datenschutzbehörden der 16 Bundesländer eingereicht.
Die Vereine Digitale Gesellschaft e.V., digitalcourage e.V. und Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. sowie das Netzwerk Datenschutzexpertise fordern eine Überarbeitung des Systems, das sie als intransparent und nicht vereinbar mit der Datenschutz-Grundverordnung kritisieren.
Die Kampagne wird von der Organisation Liberties (Civil Liberties Union for Europe) koordiniert. Auch Bürger*innen können bei der Kampagne mitmachen und zusätzlich Beschwerde einreichen.
Was ist Real Time Bidding?
Die Vergabe von Werbeplätzen in Echtzeit (Real Time Bidding) setzt auf einen möglichst passgenauen Zuschnitt von Anzeigen auf diejenigen, die sie sehen - im richtigen Moment und im passenden Kontext. Alter, Geschlecht, Interessen und weitere Informationen aus zuvor gebildeten Profilen werden dabei an Unternehmen übermittelt, die die Werbung schalten.
Eva Simon, Rechtsexpertin von Liberties, erklärt:
Jedes Mal, wenn eine Person eine Website besucht und ihr eine ‚verhaltensorientierte’ Anzeige angezeigt wird, werden ihre persönlichen Daten, wie Browserverlauf oder Standort, aber auch sexuelle Orientierung oder sogar eindeutige ID-Codes, in Echtzeit an Tausende von Unternehmen weitergereicht. Digitale Werbeunternehmen können diese Daten durch eine ‚Gebotsanfrage’ (bid request) übertragen, um den Werbeplatz auf der von Ihnen besuchten Website zu verkaufen. Diese Werbemethode verstößt eindeutig gegen die EU-Datenschutzverordnung (GDPR).
Wer einen Werbeblocker nutzt, schränkt die Profilbildung damit zwar ein, komplett sicher vor personalisierter Werbung ist man damit aber meistens trotzdem nicht.
Die Datenschützer hinter #StopSpyingOnUs kritisieren auch das Fehlen eines Kontrollsystems: Es sei momentan nicht nachvollziehbar, welche Daten welches Unternehmen über Nutzer*innen erhalten. Auskünfte und Widersprüche sind im aktuellen System nicht möglich.